„It’s the economy, stupid …“? Begriff und Praxis der Ökonomisierung in der Zeitgeschichte

Tagung
Datum: 01.03.2018 bis 03.03.2018
Ort: Potsdam

Veranstalter:
Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam 
Die Tagung wird unterstützt von der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung.

Konzept und Organisation:
Christopher Neumaier (ZZF Potsdam)
Rüdiger Graf (ZZF Potsdam)

Eine Anmeldung ist erforderlich.

Nicht erst seit der globalen Finanzkrise wird allenthalben eine Bedeutungssteigerung des Ökonomischen in der Zeitgeschichte konstatiert. Schon zuvor spielte der Begriff der Ökonomisierung im zeitdiagnostischen Schrifttum eine wichtige Rolle, sei es positiv im Sinne einer notwendigen Anpassung an zunehmend globalisierte wirtschaftliche Austauschprozesse oder negativ als Unterwerfung von Politik und Gesellschaft unter Effizienz‐ und Rentabilitätskriterien. Die Ökonomisierung der Gesellschaft war und ist ein Kampfbegriff: Einerseits fordern Ökonomen und Politiker die Einführung ökonomischer Prinzipien in Feldern, in denen diese bisher nicht galten, während auf der anderen Seite Praktiker und Intellektuelle die Verluste und Opfer eben dieser Übertragung beklagen, die sie entweder in einem bestimmten Bereich oder gesamtgesellschaftlich beobachten. Dabei kreist die Diskussion in der Bundesrepublik vor allem um die Ökonomisierung der sozialen Arbeit, des Gesundheitswesens, der Umwelt(‐politik), der Hochschulen und der Bildungsarbeit sowie des öffentlichen Dienstes insgesamt. In den Debatten über die gewünschte oder kritisierte Ökonomisierung ist allerdings unklar, was unter dem Begriff, der kein fremdsprachliches Pendant hat, eigentlich verstanden werden soll. Was ist das „Ökonomische“, das in andere Systemzusammenhänge übertragen wird und erschöpft sich diese Expansion nicht vielmehr oft in der Übernahme ökonomischen Vokabulars?

Auf der Tagung soll die Diagnose einer gesellschaftlichen Ökonomisierung weder bestätigt noch widerlegt werden. Vielmehr soll spezifischer danach gefragt werden, was im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Feldern als Ökonomisierung verstanden wurde. Wer meinte mit welchen Mitteln das Recht, die Verwaltung, das Bildungswesen, die Medizin, die Arbeitswelt oder die Umweltpolitik ökonomisieren zu können, und welche Vorstellungen des Ökonomischen lagen dem jeweils zugrunde? Welche Entwicklungen wurden demgegenüber in den verschiedenen Feldern von wem und mit welchen Argumenten als Ökonomisierung kritisiert und abgelehnt? Wie verhalten sich wahrgenommener Ökonomisierungsbedarf und Ökonomisierungskritik zu gegenläufigen Tendenzen der Politisierung oder Moralisierung der entsprechenden Felder, aber auch des Ökonomischen insgesamt? Zugleich kann und soll in längerer diachroner Perspektive aber auch danach gefragt werden, ob sich jenseits der Historisierung der der Ökonomisierungsdebatte doch zumindest sektorielle Ökonomisierungstendenz in der Zeitgeschichte feststellen lassen oder nicht.

Programm der Tagung (pdf) (aktualisiert/15.02.2018)

Programm

(Stand vom 15. Februar 2018)

Donnerstag, 1. März 2018:
13.30 – 14.00 Begrüßung und Einführung

14.00 – 15.30 Ökonomisierung in soziologischer und rechtswissenschaftlicher Perspektive
Moderation: André Steiner

Ute Volkmann (Universität Bremen): Ökonomisierung des Nicht‐Ökonomischen: ein differenzierungstheoretischer Bezugsrahmen
Louis Pahlow (Goethe‐Universität Frankfurt): Diskurse und Strategien einer Ökonomisierung des Rechts

15.30‐16.00 Kaffeepause

16.00‐18.00 Ökonomisierung und historische Begriffsalternativen
Moderation: Martin Sabrow

Roman Köster (Albert‐Ludwigs‐Universität Freiburg): Die Ökonomisierung aller Dinge? Der Topos der Kommerzialisierung in der Kapitalismuskritik des 20. Jahrhunderts
Ralf Ahrens (ZZF Potsdam): Von der Hierarchie zum Handel? Vermarktlichung als historische Forschungsperspektive
Laura Rischbieter (Universität Konstanz): Finanzialisierung und Ökonomisierung. Alter Wein in neuen Schläuchen?

18.00‐19.00 Abendessen

19.00 – 20.30 Öffentliche Abenddiskussion:
Gab es eine Ökonomisierung und woran erkennt man sie?

Podium:
Gabriele Metzler (Humboldt‐Universität)
Werner Plumpe (Goethe‐Universität Frankfurt)
Armin Nassehi (Ludwig‐Maximilians‐Universität München)
Moderation: Rüdiger Graf

Einladungsflyer zur Öffentlichen Podiumsdiskussion, pdf
Anmeldung erbeten bis zum 22. Februar 2018 bei Christopher Neumaier: neumaier [at] zzf-potsdam.de

Freitag, 2. März 2018

9.30‐11.00 Globalisierung als Ökonomisierung?
Moderation: Christopher Neumaier

André Steiner (ZZF Potsdam): Wirtschaftliche Globalisierung = Ökonomisierung der Unternehmen?
Benjamin Möckel (Universität zu Köln): Das Private ist global? Der „faire Handel“ im Kontext von Ökonomisierung und Responsibilization

11.00‐11.30 Kaffeepause

11.30‐13.00 Die Ökonomisierung des Staates
Moderation: Christopher Neumaier

Alina Marktanner (MPI Köln): Ökonomisierung als „gesunder Menschenverstand". Unternehmensberater in der (west-)deutschen Verwaltung, 1970er bis 2000er Jahre
Marcus Böick (Ruhr‐Universität Bochum): Ökonomisierung des Gewaltmonopols? Die Sicherheitswirtschaft und die Privatisierung öffentlicher Sicherheitsaufgaben seit den 1970er‐Jahren

13.00‐14.00 Mittagspause

14.00‐15.30 Eine Ökonomisierung des Privaten?
Moderation: André Steiner

Hannah Ahlheim (Georg‐August‐Universität Göttingen / HU‐Berlin): Timing, Tablette und Powernap: Die Ökonomisierung des Schlafs im 20. Jahrhundert
Christopher Neumaier (ZZF Potsdam): Der Preis der Familie: die Ökonomisierung sozialer Beziehungen?

15.30‐16.00 Kaffeepause

16.00‐17.30 Gesundheit und Soziale Arbeit
Moderation: Alexander Nützenadel

Nicole Kramer (Goethe‐Universität Frankfurt): Ökonomisierung unter Vorbehalt. Quasi‐Märkte, Sorgearbeit und die Reform sozialer Dienste
Martin Lengwiler (Universität Basel): Versicherungen und die Ökonomisierung des Gesundheitswesens

Gemeinsames Abendessen

Samstag, 3. März 2018

9.00‐10.30 Kunst und Kommerz
Moderation: Hannah Ahlheim

Michael Hutter (WZB Berlin): Ökonomisierung der Kunst? Ein systemtheoretischer Beitrag
Klaus Nathaus (University of Oslo): Das einträgliche Unbehagen in der Massenkultur. Zur Ökonomisierung der Populärmusik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

10.30‐10.45 Kaffeepause

10.45‐12.15 Eigenlogik und Ökonomie von Sport und Wissenschaft
Moderation: Ralf Ahrens

Désirée Schauz (Akademie der Wissenschaften Göttingen): Ökonomisierung der Wissenschaft. Eine Herausforderung des kritischen Programms der Wissenschaftsforschung
Christian Kleinschmidt (Philipps‐Universität Marburg): Sportlicher Sonderweg. Von der „Eigenwelt“ der Leibesübungen zur globalen „Kommerzialisierung“

12.15‐13.00 Mittagspause

13.00 – 14.30 Die Ökonomisierung der Umwelt
Moderation: Ralf Ahrens

Rüdiger Graf (ZZF Potsdam): Markt und Moral. Die Ökonomisierung des Umweltverhaltens seit den 1970er Jahren
Nicolai Hannig (Ludwig‐Maximilians‐Universität München): Gefahren berechnen. Versicherungen und die Kalkulation von Naturkatastrophen

14.30‐ 15.00 Abschlussdiskussion

 

Tagungsbericht von Marcel Schmeer (H-Soz-Kult, 02.07.2018)

 

Veranstaltungsort

Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Am Neuen Markt 9d
14467 Potsdam

Kontakt und Anmeldung

Dr. Christopher Neumaier
Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Am Neuen Markt 1
14467 Potsdam
neumaier [at] zzf-potsdam.de

Aufgrund der begrenzten Raumkapazitäten bitten wir um eine schriftliche Anmeldung bis zum 21. Februar 2018 per Email unter: neumaier@zzf‐potsdam.de

Veranstaltungen

„It’s the economy, stupid …“? Begriff und Praxis der Ökonomisierung in der Zeitgeschichte

Tagung
Datum: 01.03.2018 bis 03.03.2018
Ort: Potsdam

Veranstalter:
Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam 
Die Tagung wird unterstützt von der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung.

Konzept und Organisation:
Christopher Neumaier (ZZF Potsdam)
Rüdiger Graf (ZZF Potsdam)

Eine Anmeldung ist erforderlich.

Nicht erst seit der globalen Finanzkrise wird allenthalben eine Bedeutungssteigerung des Ökonomischen in der Zeitgeschichte konstatiert. Schon zuvor spielte der Begriff der Ökonomisierung im zeitdiagnostischen Schrifttum eine wichtige Rolle, sei es positiv im Sinne einer notwendigen Anpassung an zunehmend globalisierte wirtschaftliche Austauschprozesse oder negativ als Unterwerfung von Politik und Gesellschaft unter Effizienz‐ und Rentabilitätskriterien. Die Ökonomisierung der Gesellschaft war und ist ein Kampfbegriff: Einerseits fordern Ökonomen und Politiker die Einführung ökonomischer Prinzipien in Feldern, in denen diese bisher nicht galten, während auf der anderen Seite Praktiker und Intellektuelle die Verluste und Opfer eben dieser Übertragung beklagen, die sie entweder in einem bestimmten Bereich oder gesamtgesellschaftlich beobachten. Dabei kreist die Diskussion in der Bundesrepublik vor allem um die Ökonomisierung der sozialen Arbeit, des Gesundheitswesens, der Umwelt(‐politik), der Hochschulen und der Bildungsarbeit sowie des öffentlichen Dienstes insgesamt. In den Debatten über die gewünschte oder kritisierte Ökonomisierung ist allerdings unklar, was unter dem Begriff, der kein fremdsprachliches Pendant hat, eigentlich verstanden werden soll. Was ist das „Ökonomische“, das in andere Systemzusammenhänge übertragen wird und erschöpft sich diese Expansion nicht vielmehr oft in der Übernahme ökonomischen Vokabulars?

Auf der Tagung soll die Diagnose einer gesellschaftlichen Ökonomisierung weder bestätigt noch widerlegt werden. Vielmehr soll spezifischer danach gefragt werden, was im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Feldern als Ökonomisierung verstanden wurde. Wer meinte mit welchen Mitteln das Recht, die Verwaltung, das Bildungswesen, die Medizin, die Arbeitswelt oder die Umweltpolitik ökonomisieren zu können, und welche Vorstellungen des Ökonomischen lagen dem jeweils zugrunde? Welche Entwicklungen wurden demgegenüber in den verschiedenen Feldern von wem und mit welchen Argumenten als Ökonomisierung kritisiert und abgelehnt? Wie verhalten sich wahrgenommener Ökonomisierungsbedarf und Ökonomisierungskritik zu gegenläufigen Tendenzen der Politisierung oder Moralisierung der entsprechenden Felder, aber auch des Ökonomischen insgesamt? Zugleich kann und soll in längerer diachroner Perspektive aber auch danach gefragt werden, ob sich jenseits der Historisierung der der Ökonomisierungsdebatte doch zumindest sektorielle Ökonomisierungstendenz in der Zeitgeschichte feststellen lassen oder nicht.

Programm der Tagung (pdf) (aktualisiert/15.02.2018)

Programm

(Stand vom 15. Februar 2018)

Donnerstag, 1. März 2018:
13.30 – 14.00 Begrüßung und Einführung

14.00 – 15.30 Ökonomisierung in soziologischer und rechtswissenschaftlicher Perspektive
Moderation: André Steiner

Ute Volkmann (Universität Bremen): Ökonomisierung des Nicht‐Ökonomischen: ein differenzierungstheoretischer Bezugsrahmen
Louis Pahlow (Goethe‐Universität Frankfurt): Diskurse und Strategien einer Ökonomisierung des Rechts

15.30‐16.00 Kaffeepause

16.00‐18.00 Ökonomisierung und historische Begriffsalternativen
Moderation: Martin Sabrow

Roman Köster (Albert‐Ludwigs‐Universität Freiburg): Die Ökonomisierung aller Dinge? Der Topos der Kommerzialisierung in der Kapitalismuskritik des 20. Jahrhunderts
Ralf Ahrens (ZZF Potsdam): Von der Hierarchie zum Handel? Vermarktlichung als historische Forschungsperspektive
Laura Rischbieter (Universität Konstanz): Finanzialisierung und Ökonomisierung. Alter Wein in neuen Schläuchen?

18.00‐19.00 Abendessen

19.00 – 20.30 Öffentliche Abenddiskussion:
Gab es eine Ökonomisierung und woran erkennt man sie?

Podium:
Gabriele Metzler (Humboldt‐Universität)
Werner Plumpe (Goethe‐Universität Frankfurt)
Armin Nassehi (Ludwig‐Maximilians‐Universität München)
Moderation: Rüdiger Graf

Einladungsflyer zur Öffentlichen Podiumsdiskussion, pdf
Anmeldung erbeten bis zum 22. Februar 2018 bei Christopher Neumaier: neumaier [at] zzf-potsdam.de

Freitag, 2. März 2018

9.30‐11.00 Globalisierung als Ökonomisierung?
Moderation: Christopher Neumaier

André Steiner (ZZF Potsdam): Wirtschaftliche Globalisierung = Ökonomisierung der Unternehmen?
Benjamin Möckel (Universität zu Köln): Das Private ist global? Der „faire Handel“ im Kontext von Ökonomisierung und Responsibilization

11.00‐11.30 Kaffeepause

11.30‐13.00 Die Ökonomisierung des Staates
Moderation: Christopher Neumaier

Alina Marktanner (MPI Köln): Ökonomisierung als „gesunder Menschenverstand". Unternehmensberater in der (west-)deutschen Verwaltung, 1970er bis 2000er Jahre
Marcus Böick (Ruhr‐Universität Bochum): Ökonomisierung des Gewaltmonopols? Die Sicherheitswirtschaft und die Privatisierung öffentlicher Sicherheitsaufgaben seit den 1970er‐Jahren

13.00‐14.00 Mittagspause

14.00‐15.30 Eine Ökonomisierung des Privaten?
Moderation: André Steiner

Hannah Ahlheim (Georg‐August‐Universität Göttingen / HU‐Berlin): Timing, Tablette und Powernap: Die Ökonomisierung des Schlafs im 20. Jahrhundert
Christopher Neumaier (ZZF Potsdam): Der Preis der Familie: die Ökonomisierung sozialer Beziehungen?

15.30‐16.00 Kaffeepause

16.00‐17.30 Gesundheit und Soziale Arbeit
Moderation: Alexander Nützenadel

Nicole Kramer (Goethe‐Universität Frankfurt): Ökonomisierung unter Vorbehalt. Quasi‐Märkte, Sorgearbeit und die Reform sozialer Dienste
Martin Lengwiler (Universität Basel): Versicherungen und die Ökonomisierung des Gesundheitswesens

Gemeinsames Abendessen

Samstag, 3. März 2018

9.00‐10.30 Kunst und Kommerz
Moderation: Hannah Ahlheim

Michael Hutter (WZB Berlin): Ökonomisierung der Kunst? Ein systemtheoretischer Beitrag
Klaus Nathaus (University of Oslo): Das einträgliche Unbehagen in der Massenkultur. Zur Ökonomisierung der Populärmusik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

10.30‐10.45 Kaffeepause

10.45‐12.15 Eigenlogik und Ökonomie von Sport und Wissenschaft
Moderation: Ralf Ahrens

Désirée Schauz (Akademie der Wissenschaften Göttingen): Ökonomisierung der Wissenschaft. Eine Herausforderung des kritischen Programms der Wissenschaftsforschung
Christian Kleinschmidt (Philipps‐Universität Marburg): Sportlicher Sonderweg. Von der „Eigenwelt“ der Leibesübungen zur globalen „Kommerzialisierung“

12.15‐13.00 Mittagspause

13.00 – 14.30 Die Ökonomisierung der Umwelt
Moderation: Ralf Ahrens

Rüdiger Graf (ZZF Potsdam): Markt und Moral. Die Ökonomisierung des Umweltverhaltens seit den 1970er Jahren
Nicolai Hannig (Ludwig‐Maximilians‐Universität München): Gefahren berechnen. Versicherungen und die Kalkulation von Naturkatastrophen

14.30‐ 15.00 Abschlussdiskussion

 

Tagungsbericht von Marcel Schmeer (H-Soz-Kult, 02.07.2018)

 

Veranstaltungsort

Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Am Neuen Markt 9d
14467 Potsdam

Kontakt und Anmeldung

Dr. Christopher Neumaier
Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Am Neuen Markt 1
14467 Potsdam
neumaier [at] zzf-potsdam.de

Aufgrund der begrenzten Raumkapazitäten bitten wir um eine schriftliche Anmeldung bis zum 21. Februar 2018 per Email unter: neumaier@zzf‐potsdam.de

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