Der Fortschrittsbegriff im 20. Jahrhundert: Abgesänge, Resistenz und Wandel

Beginn des Projektes: April 2022

Dissertationsprojekt

Das Projekt untersucht die Geschichte der Fortschrittssemantik im 20. Jahrhundert. Folgt man Reinhart Koselleck, so handelt es sich bei ‚Fortschritt‘ um einen der beiden zentralen Grundbegriffe (zusammen mit dem Kollektivsingular ‚Geschichte‘), in denen das Zeit- und Geschichtsbewusstsein der Moderne zum Ausdruck kommt. Für seine eigene Gegenwart der 1970er-Jahre vermutete Koselleck jedoch einen Niedergang des Fortschrittsglaubens, und hiermit war er nicht allein: Nicht erst während der Krisen der 1970er-Jahre, sondern auch angesichts vieler früherer und späterer Krisen und Kriege sowie der Erfahrungen der Schoah, des Kolonialismus und der zwiespältigen Folgen technischer und industrieller Modernisierung stimmten Zeitgenossen des 20. Jahrhunderts Abgesänge auf den Fortschritt an. Dennoch hält sich ‚Fortschritt‘ bzw. ‚fortschrittlich‘ über all diese Kritik hinweg als zentraler Begriff gesellschaftlicher Selbstbeschreibung und -befragung bis heute. Das Projekt geht dieser Ambivalenz nach und untersucht, welche Bedeutung Fortschrittssemantiken in ihrem alltäglichen Gebrauch im 20. Jahrhundert zukam: Wer nutzte den Begriff zu welchem Zeitpunkt und mit welchen Intentionen? Wie wurde er explizit oder implizit (um-)definiert? Welche Funktionen erfüllte der Gebrauch des Begriffs in der politischen Sprache? An wen richteten sich Fortschrittsversprechen, wer blieb von ihnen ausgeschlossen und welche Ordnungsvorstellungen, Praktiken und Ideologien wurden mit ihnen legitimiert? In welchen thematischen Kontexten und Diskursen gewann der Begriff besondere Bedeutung?

Zur Beantwortung dieser Fragen werden klassisch-hermeneutische Methoden der Historischen Semantik mit quantitativen Ansätzen des Distant Reading kombiniert. Wesentliche Bestandteile des hierfür genutzten Korpus bilden Parlamentsdebatten sowie Massenmedien (Zeitungen und Zeitschriften). Zusammen mit dem Begriff ‚Fortschritt‘ wird auch das semantische Feld um diesen herum in den Blick genommen, inklusive seiner Konkurrenz-, Komplementär- und Gegenbegriffe. Hierbei konzentriert sich das Projekt auf den Begriffsgebrauch in Deutschland, soll aber, geleitet von den Debatten und Diskursen, in denen „Fortschritt“ eine Rolle spielte, auch transnationale Transfers und Verflechtungen in den Blick nehmen – zum Beispiel anhand der Europa- oder Entwicklungspolitik.

Das Dissertationsprojekt ist Teil der Untersuchung politisch-sozialer Zeit- und Prozessbegriffe und wird im Rahmen des Verbundprojekts „Das 20. Jahrhundert in Grundbegriffen. Lexikon zur historischen Semantik in Deutschland“ gefördert, welches vom Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin, dem Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim und dem ZZF getragen wird. Projektleiter am ZZF ist Rüdiger Graf.

Simon Specht

Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Am Neuen Markt 1
14467 Potsdam

Büro: Am Neuen Markt 9d, Raum E.08
Tel.: +49 (331) 74510 134

E-Mail: simon.specht [at] zzf-potsdam.de

Forschung

Der Fortschrittsbegriff im 20. Jahrhundert: Abgesänge, Resistenz und Wandel

Beginn des Projektes: April 2022

Dissertationsprojekt

Das Projekt untersucht die Geschichte der Fortschrittssemantik im 20. Jahrhundert. Folgt man Reinhart Koselleck, so handelt es sich bei ‚Fortschritt‘ um einen der beiden zentralen Grundbegriffe (zusammen mit dem Kollektivsingular ‚Geschichte‘), in denen das Zeit- und Geschichtsbewusstsein der Moderne zum Ausdruck kommt. Für seine eigene Gegenwart der 1970er-Jahre vermutete Koselleck jedoch einen Niedergang des Fortschrittsglaubens, und hiermit war er nicht allein: Nicht erst während der Krisen der 1970er-Jahre, sondern auch angesichts vieler früherer und späterer Krisen und Kriege sowie der Erfahrungen der Schoah, des Kolonialismus und der zwiespältigen Folgen technischer und industrieller Modernisierung stimmten Zeitgenossen des 20. Jahrhunderts Abgesänge auf den Fortschritt an. Dennoch hält sich ‚Fortschritt‘ bzw. ‚fortschrittlich‘ über all diese Kritik hinweg als zentraler Begriff gesellschaftlicher Selbstbeschreibung und -befragung bis heute. Das Projekt geht dieser Ambivalenz nach und untersucht, welche Bedeutung Fortschrittssemantiken in ihrem alltäglichen Gebrauch im 20. Jahrhundert zukam: Wer nutzte den Begriff zu welchem Zeitpunkt und mit welchen Intentionen? Wie wurde er explizit oder implizit (um-)definiert? Welche Funktionen erfüllte der Gebrauch des Begriffs in der politischen Sprache? An wen richteten sich Fortschrittsversprechen, wer blieb von ihnen ausgeschlossen und welche Ordnungsvorstellungen, Praktiken und Ideologien wurden mit ihnen legitimiert? In welchen thematischen Kontexten und Diskursen gewann der Begriff besondere Bedeutung?

Zur Beantwortung dieser Fragen werden klassisch-hermeneutische Methoden der Historischen Semantik mit quantitativen Ansätzen des Distant Reading kombiniert. Wesentliche Bestandteile des hierfür genutzten Korpus bilden Parlamentsdebatten sowie Massenmedien (Zeitungen und Zeitschriften). Zusammen mit dem Begriff ‚Fortschritt‘ wird auch das semantische Feld um diesen herum in den Blick genommen, inklusive seiner Konkurrenz-, Komplementär- und Gegenbegriffe. Hierbei konzentriert sich das Projekt auf den Begriffsgebrauch in Deutschland, soll aber, geleitet von den Debatten und Diskursen, in denen „Fortschritt“ eine Rolle spielte, auch transnationale Transfers und Verflechtungen in den Blick nehmen – zum Beispiel anhand der Europa- oder Entwicklungspolitik.

Das Dissertationsprojekt ist Teil der Untersuchung politisch-sozialer Zeit- und Prozessbegriffe und wird im Rahmen des Verbundprojekts „Das 20. Jahrhundert in Grundbegriffen. Lexikon zur historischen Semantik in Deutschland“ gefördert, welches vom Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin, dem Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim und dem ZZF getragen wird. Projektleiter am ZZF ist Rüdiger Graf.

Simon Specht

Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Am Neuen Markt 1
14467 Potsdam

Büro: Am Neuen Markt 9d, Raum E.08
Tel.: +49 (331) 74510 134

E-Mail: simon.specht [at] zzf-potsdam.de

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