Vielfalt des Wandels - Perestroika in baltischen, usbekischen und russischen Museen

Beginn des Projektes: Januar 2023

Forschungsprojekt
im Rahmen des ERC-Projekts „Perestroika from Below“

Der Ausdruck „Zusammenbruch der Sowjetunion“ schafft die Vorstellung eines in sich geschlossenen Ereignisses. Gewiss lassen sich die letzten Jahre der Sowjetunion als ein linearer Prozess erzählen, als eine Geschichte der „von oben“ initiierten Reformen, die zum Macht- und Kontrollverlust des Zentrums und schließlich zum Ende des Imperiums führten. Bei genauer Betrachtung handelte es sich jedoch um eine Vielzahl unterschiedlichster Prozesse, die teilweise synchron abliefen und sich gegenseitig verstärkten, teilweise aber auch unterschiedlichste Ursachen hatten und zeitlich versetzt stattfanden. Erst eine Gesamtbetrachtung wird das Ende des sowjetischen Staates befriedigend klären können. Noch immer steht die Frage im Raum, ob der Zusammenbruch unausweichlich war. Zu klären ist aber auch, was genau aufhörte zu existieren, was dagegen Bestand hatte und die Grundlage für die unterschiedlichen Entwicklungswege nach 1991 bildete?

Das geplante Projekt wird einen Beitrag zu diesem Forschungskomplex leisten, indem es exemplarisch den Wandel des sowjetischen Museumswesens anhand verschiedener ehemaliger Sowjetrepubliken – Estland, Lettland, Usbekistan sowie Russland (konkret: Leningrad/St. Petersburg) – in den Blick nimmt. Diese Regionen unterscheiden sich hinsichtlich Geografie, Klima, Lebensstandard und Bildungsniveau ebenso so stark wie im Hinblick auf Religion, politische Traditionen, Sprache und Kultur. Trotz allem können Museen in diesen drei Regionen verglichen werden, weil sie einem Minimum von Standards, die an sowjetische Institution gestellt wurden, entsprachen. Mit Museen und ihrem Personal rücken staatliche Institutionen sowie Akteurinnen und Akteure in den Focus, die sich auf einer mittleren Funktionsebene verorten lassen. Die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen der Perestroika zeigen sich in diesem Feld ebenso wie die Erwartungen, Reaktionen und Handlungen, die Glasnost’ beim Museumspersonal auslöste. Museen sind Orte, die kulturelles Erbe bewahren müssen. Insofern zeichnen sie sich durch Beständigkeit aus. Gleichzeitig unterliegen sie als identitätsstiftende Institutionen vielfältigen, sich wandelnden Ansprüchen seitens des Staates und der Gesellschaft. Der vergleichende Blick auf Museen in drei unterschiedlichen Kulturräumen wird zeigen, welche Auswirkungen die Desintegration der Sowjetunion für Menschen und Institutionen in verschiedenen Regionen des Imperiums hatte. So ähnlich die Rückbesinnung auf eigene nationale Traditionen ausfiel, so unterschiedlich gestaltete sich der Umgang mit der sowjetischen Vergangenheit und die Neuorientierung in räumlichen Kontexten. Die Vorstellung von zentrifugalen Kräften, die zum Ende des Imperiums führten, ist aus der Perspektive des Zentrums und „von oben“ entstanden. Der Blick „von unten“ und aus der Peripherie dagegen wird andere Kraftfelder von Anziehung und Abstoßung, Ausschluss und Integration sichtbar machen.

Dr. Corinna Kuhr-Korolev

Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung
Am Neuen Markt 1
14467 Potsdam

Büro: Am Neuen Markt 9d, Zimmer 1.07

Tel.: 0331 74510-123
Fax: 0331 74510-143

E-Mail: kuhr-korolev [at] zzf-potsdam.de

Persönliche Homepage: https://istfakt.com/

Forschung

Vielfalt des Wandels - Perestroika in baltischen, usbekischen und russischen Museen

Beginn des Projektes: Januar 2023

Forschungsprojekt
im Rahmen des ERC-Projekts „Perestroika from Below“

Der Ausdruck „Zusammenbruch der Sowjetunion“ schafft die Vorstellung eines in sich geschlossenen Ereignisses. Gewiss lassen sich die letzten Jahre der Sowjetunion als ein linearer Prozess erzählen, als eine Geschichte der „von oben“ initiierten Reformen, die zum Macht- und Kontrollverlust des Zentrums und schließlich zum Ende des Imperiums führten. Bei genauer Betrachtung handelte es sich jedoch um eine Vielzahl unterschiedlichster Prozesse, die teilweise synchron abliefen und sich gegenseitig verstärkten, teilweise aber auch unterschiedlichste Ursachen hatten und zeitlich versetzt stattfanden. Erst eine Gesamtbetrachtung wird das Ende des sowjetischen Staates befriedigend klären können. Noch immer steht die Frage im Raum, ob der Zusammenbruch unausweichlich war. Zu klären ist aber auch, was genau aufhörte zu existieren, was dagegen Bestand hatte und die Grundlage für die unterschiedlichen Entwicklungswege nach 1991 bildete?

Das geplante Projekt wird einen Beitrag zu diesem Forschungskomplex leisten, indem es exemplarisch den Wandel des sowjetischen Museumswesens anhand verschiedener ehemaliger Sowjetrepubliken – Estland, Lettland, Usbekistan sowie Russland (konkret: Leningrad/St. Petersburg) – in den Blick nimmt. Diese Regionen unterscheiden sich hinsichtlich Geografie, Klima, Lebensstandard und Bildungsniveau ebenso so stark wie im Hinblick auf Religion, politische Traditionen, Sprache und Kultur. Trotz allem können Museen in diesen drei Regionen verglichen werden, weil sie einem Minimum von Standards, die an sowjetische Institution gestellt wurden, entsprachen. Mit Museen und ihrem Personal rücken staatliche Institutionen sowie Akteurinnen und Akteure in den Focus, die sich auf einer mittleren Funktionsebene verorten lassen. Die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen der Perestroika zeigen sich in diesem Feld ebenso wie die Erwartungen, Reaktionen und Handlungen, die Glasnost’ beim Museumspersonal auslöste. Museen sind Orte, die kulturelles Erbe bewahren müssen. Insofern zeichnen sie sich durch Beständigkeit aus. Gleichzeitig unterliegen sie als identitätsstiftende Institutionen vielfältigen, sich wandelnden Ansprüchen seitens des Staates und der Gesellschaft. Der vergleichende Blick auf Museen in drei unterschiedlichen Kulturräumen wird zeigen, welche Auswirkungen die Desintegration der Sowjetunion für Menschen und Institutionen in verschiedenen Regionen des Imperiums hatte. So ähnlich die Rückbesinnung auf eigene nationale Traditionen ausfiel, so unterschiedlich gestaltete sich der Umgang mit der sowjetischen Vergangenheit und die Neuorientierung in räumlichen Kontexten. Die Vorstellung von zentrifugalen Kräften, die zum Ende des Imperiums führten, ist aus der Perspektive des Zentrums und „von oben“ entstanden. Der Blick „von unten“ und aus der Peripherie dagegen wird andere Kraftfelder von Anziehung und Abstoßung, Ausschluss und Integration sichtbar machen.

Dr. Corinna Kuhr-Korolev

Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung
Am Neuen Markt 1
14467 Potsdam

Büro: Am Neuen Markt 9d, Zimmer 1.07

Tel.: 0331 74510-123
Fax: 0331 74510-143

E-Mail: kuhr-korolev [at] zzf-potsdam.de

Persönliche Homepage: https://istfakt.com/

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