CfP: Workshop zu »Nostalgie und Erinnerung«

23.03.2021

Der Workshop findet am 14. und 15. Juni 2021 online am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) statt. Die Konferenzsprache ist Deutsch; Präsentationen können auch auf Englisch gehalten werden. Interessierte, die bei dem Workshop nicht vortragen möchten, sind herzlich willkommen, als Gäste teilzunehmen.

Nostalgie und Erinnerung

Nostalgie wird in gegenwärtigen Gesellschaftsdiagnosen immer wieder als Erklärung für die wahrgenommene Rückwärtsgewandtheit und kulturelle Spaltung westlicher Gesellschaften genutzt. Ein Blick zurück zeigt jedoch, wie alt diese Erklärung selbst ist. Beobachteten Theodor Adorno und Helmuth Plessner Anfang der 1960er Jahre misstrauisch eine Nostalgie für die „Wilden 20er“, rieb sich linke wie rechte Kulturkritik in den 1970er und 1980er Jahren an einer Nostalgiewelle für die Zeit des „Wirtschaftswunders“, die als Reaktion auf lebensweltliche Beschleunigung und ökonomische Krisen gedeutet wurde. In den 1990er Jahren war es dann die vermeintlich “ostalgische” Integrationsunwilligkeit der Ostdeutschen und schließlich taucht die Nostalgie als Erklärungsansatz für rechtspopulistische Bewegungen – von „Make America Great Again!“ bis „Vollende die Wende!“ – wieder auf. Grundlegend verschiedene Geschichtsbilder zeigen sich hier jeweils als zentraler Aspekt der diagnostizierten gesellschaftlichen Spaltung: Was die einen als Fortschritt feiern (etwa die Auflösung traditioneller Geschlechterrollen oder soziale Emanzipationsbewegungen), kündigt für die anderen den gesellschaftlichen Verfall an. Von solchen politischen Grabenkämpfen scheinbar unberührt, blüht derweil nicht erst mit der “Generation Golf” (Florian Illies) der Markt für Retromoden, Jahrgangs- und Jahrzehntbücher oder Alltagserinnerungen an das materielle Erbe der 1950er bis 1980er Jahre. Doch selbst diese auf den ersten Blick harmlosen nostalgischen Erinnerungen an vergangene Konsum-, Jugend- und Subkulturen wurden schon als Zeichen der Innovationslosigkeit der Popkultur (vgl. Simon Reynolds, Retromania. Pop Culture’s Addiction to its Own Past, London 2012) und Ausdruck eines regressiven Zeitgeistes im Sinne Zygmunt Baumans interpretiert (Zygmunt Bauman, Retrotopia, Cambridge, UK 2017). Insbesondere auch seit Beginn der Corona-Pandemie wird der Rückgriff auf ältere Produkte der Popkultur als Krisenbewältigung gelesen.

Angesichts der – zumeist negativ konnotierten, kulturkritischen – Verwendung des Nostalgiebegriffs für ganz unterschiedliche Phänomene stellt sich die Frage nach seinem analytischen Mehrwert für die Zeitgeschichtsforschung. Die Vielschichtigkeit der genannten Phänomene und Interpretationen deutet darauf hin, dass sich Nostalgien womöglich in ganz unterschiedlichen Forschungsfeldern unvermutet finden lassen. Das Doktorand*innen-Forum möchte deshalb in einem Online-Workshop u.a. folgende Fragen diskutieren: Was zeichnet Nostalgie aus und wie lassen sich womöglich verschiedene Nostalgien zu unterschiedlichen Zeiten und bei verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen feststellen? Wie wurde Nostalgie in der Vergangenheit bewertet? Welche Rolle spielten Anlehnungen an, Verweise auf und Instrumentalisierungen von Vergangenheit in verschiedenen zeithistorischen Kontexten, seien sie politischer, kultureller oder sozialer Natur? In welchem Wechselspiel steht Nostalgie mit geschichtswissenschaftlichen Konzepten der Erinnerungs- und Geschichtskultur? Wie wäre folglich ein spezifisch zeithistorischer Nostalgiebegriff zu fassen? Dabei soll keine vorab formulierte Definition von Nostalgie die Diskussion einengen. Stattdessen wollen wir das Forum als Aufschlag verstanden wissen und dazu einladen, den Nostalgiebegriff grundsätzlich für die Zeitgeschichte zu diskutieren. In diesem Sinne soll das Forum einen Raum für den ungezwungenen Austausch zwischen den Doktorand*innen der Zeitgeschichte bieten.

Einreichungen können beispielsweise, müssen aber nicht folgende Themenfelder berühren, oder nur als Nebenaspekt des eigenen Forschungsprojekts auftreten:

  • “Linke” und “rechte” Nostalgien und politische Gründungsmythen (z.B. Rechtspopulismus, Emanzipationserzählungen sozialer Bewegungen etc., Militär, Geheimdienste und Sicherheitsorgane als Erinnerungsgemeinschaften)
  • Alltagsweltliche Nostalgien (z.B. Jahrzehnte als nostalgische Rückzugsräume, dörfliche Gemeinschaften, popkulturelle Nostalgie, Sportvereine als Erinnerungsgemeinschaften)
  • Fiktionale/nostalgische Welten in Medien (z.B. MDR-Dokumentationen zum Alltagsleben in der DDR, Filme und Serien à la Babylon Berlin oder The Alienist, Medieval-Folk-Musik)
  • Subalterne/nicht-hegemoniale Erinnerungen und Nostalgien (z.B. migrantische Erinnerungen, queere Erinnerung, Gender- und Körperbilder)
  • Neue Perspektiven auf professionelle öffentliche Geschichtserzählungen (z.B. Erzählungen/Debatten in und über Ausstellungen, Public History, Geschichtspolitik).

Die Beitragsvorschläge für alle Sektionen sollten nicht mehr als 500 Wörter umfassen und können auf Deutsch oder Englisch samt eines kurzen akademischen Lebenslaufs per Mail (doktorandenforum [at] zzf-potsdam.de (subject: Doktorand%2Ainnen-Forum) ) von Promovierenden oder jungen Forschenden eingereicht werden. Einsendeschluss ist der 30. April 2021.

Das Doktorand*innen-Forum verzichtet auf die klassische Tagungsstruktur. Statt in einer Sektion Vortrag auf Vortrag folgen und diese von eine/r Kommentator/in danach zusammenführen zu lassen, sollen die Teilnehmer/innen sich in einer kurzen Präsentation zu einer von den Organisator/innen im Vorfeld aufgestellten These oder Frage positionieren. Dies soll eine lebendige Diskussion ermöglichen. Die jeweiligen Thesen werden bei der Zusammenstellung der Panels auf Basis der eingereichten Texte entwickelt und den Beitragenden im Vorfeld zugesendet. Die bis zum 15. Mai 2021 auszuwählenden Referent*innen werden gebeten, Diskussionspapiere von max. sechs Seiten auszuformulieren. Das Doktorand*innen-Forum legt den Schwerpunkt auf die Diskussion der Thesen und Herausforderungen der jeweiligen Beiträge und Forschungsvorhaben. Hierfür bitten wir um eine kompakte und problemorientierte Präsentation. Gerne gesehen sind innovative Präsentationstechniken.

Kontakt

Maren Francke
Tom Koltermann
Florian Schikowski
Elke Sieber
Robert Mueller-Stahl

ZZF Potsdam
Am Neuen Markt 1, 14467 Potsdam

doktorandenforum [at] zzf-potsdam.de (subject: Doktorand%2Ainnen-Forum)

News

CfP: Workshop zu »Nostalgie und Erinnerung«

23.03.2021

Der Workshop findet am 14. und 15. Juni 2021 online am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) statt. Die Konferenzsprache ist Deutsch; Präsentationen können auch auf Englisch gehalten werden. Interessierte, die bei dem Workshop nicht vortragen möchten, sind herzlich willkommen, als Gäste teilzunehmen.

Nostalgie und Erinnerung

Nostalgie wird in gegenwärtigen Gesellschaftsdiagnosen immer wieder als Erklärung für die wahrgenommene Rückwärtsgewandtheit und kulturelle Spaltung westlicher Gesellschaften genutzt. Ein Blick zurück zeigt jedoch, wie alt diese Erklärung selbst ist. Beobachteten Theodor Adorno und Helmuth Plessner Anfang der 1960er Jahre misstrauisch eine Nostalgie für die „Wilden 20er“, rieb sich linke wie rechte Kulturkritik in den 1970er und 1980er Jahren an einer Nostalgiewelle für die Zeit des „Wirtschaftswunders“, die als Reaktion auf lebensweltliche Beschleunigung und ökonomische Krisen gedeutet wurde. In den 1990er Jahren war es dann die vermeintlich “ostalgische” Integrationsunwilligkeit der Ostdeutschen und schließlich taucht die Nostalgie als Erklärungsansatz für rechtspopulistische Bewegungen – von „Make America Great Again!“ bis „Vollende die Wende!“ – wieder auf. Grundlegend verschiedene Geschichtsbilder zeigen sich hier jeweils als zentraler Aspekt der diagnostizierten gesellschaftlichen Spaltung: Was die einen als Fortschritt feiern (etwa die Auflösung traditioneller Geschlechterrollen oder soziale Emanzipationsbewegungen), kündigt für die anderen den gesellschaftlichen Verfall an. Von solchen politischen Grabenkämpfen scheinbar unberührt, blüht derweil nicht erst mit der “Generation Golf” (Florian Illies) der Markt für Retromoden, Jahrgangs- und Jahrzehntbücher oder Alltagserinnerungen an das materielle Erbe der 1950er bis 1980er Jahre. Doch selbst diese auf den ersten Blick harmlosen nostalgischen Erinnerungen an vergangene Konsum-, Jugend- und Subkulturen wurden schon als Zeichen der Innovationslosigkeit der Popkultur (vgl. Simon Reynolds, Retromania. Pop Culture’s Addiction to its Own Past, London 2012) und Ausdruck eines regressiven Zeitgeistes im Sinne Zygmunt Baumans interpretiert (Zygmunt Bauman, Retrotopia, Cambridge, UK 2017). Insbesondere auch seit Beginn der Corona-Pandemie wird der Rückgriff auf ältere Produkte der Popkultur als Krisenbewältigung gelesen.

Angesichts der – zumeist negativ konnotierten, kulturkritischen – Verwendung des Nostalgiebegriffs für ganz unterschiedliche Phänomene stellt sich die Frage nach seinem analytischen Mehrwert für die Zeitgeschichtsforschung. Die Vielschichtigkeit der genannten Phänomene und Interpretationen deutet darauf hin, dass sich Nostalgien womöglich in ganz unterschiedlichen Forschungsfeldern unvermutet finden lassen. Das Doktorand*innen-Forum möchte deshalb in einem Online-Workshop u.a. folgende Fragen diskutieren: Was zeichnet Nostalgie aus und wie lassen sich womöglich verschiedene Nostalgien zu unterschiedlichen Zeiten und bei verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen feststellen? Wie wurde Nostalgie in der Vergangenheit bewertet? Welche Rolle spielten Anlehnungen an, Verweise auf und Instrumentalisierungen von Vergangenheit in verschiedenen zeithistorischen Kontexten, seien sie politischer, kultureller oder sozialer Natur? In welchem Wechselspiel steht Nostalgie mit geschichtswissenschaftlichen Konzepten der Erinnerungs- und Geschichtskultur? Wie wäre folglich ein spezifisch zeithistorischer Nostalgiebegriff zu fassen? Dabei soll keine vorab formulierte Definition von Nostalgie die Diskussion einengen. Stattdessen wollen wir das Forum als Aufschlag verstanden wissen und dazu einladen, den Nostalgiebegriff grundsätzlich für die Zeitgeschichte zu diskutieren. In diesem Sinne soll das Forum einen Raum für den ungezwungenen Austausch zwischen den Doktorand*innen der Zeitgeschichte bieten.

Einreichungen können beispielsweise, müssen aber nicht folgende Themenfelder berühren, oder nur als Nebenaspekt des eigenen Forschungsprojekts auftreten:

  • “Linke” und “rechte” Nostalgien und politische Gründungsmythen (z.B. Rechtspopulismus, Emanzipationserzählungen sozialer Bewegungen etc., Militär, Geheimdienste und Sicherheitsorgane als Erinnerungsgemeinschaften)
  • Alltagsweltliche Nostalgien (z.B. Jahrzehnte als nostalgische Rückzugsräume, dörfliche Gemeinschaften, popkulturelle Nostalgie, Sportvereine als Erinnerungsgemeinschaften)
  • Fiktionale/nostalgische Welten in Medien (z.B. MDR-Dokumentationen zum Alltagsleben in der DDR, Filme und Serien à la Babylon Berlin oder The Alienist, Medieval-Folk-Musik)
  • Subalterne/nicht-hegemoniale Erinnerungen und Nostalgien (z.B. migrantische Erinnerungen, queere Erinnerung, Gender- und Körperbilder)
  • Neue Perspektiven auf professionelle öffentliche Geschichtserzählungen (z.B. Erzählungen/Debatten in und über Ausstellungen, Public History, Geschichtspolitik).

Die Beitragsvorschläge für alle Sektionen sollten nicht mehr als 500 Wörter umfassen und können auf Deutsch oder Englisch samt eines kurzen akademischen Lebenslaufs per Mail (doktorandenforum [at] zzf-potsdam.de (subject: Doktorand%2Ainnen-Forum) ) von Promovierenden oder jungen Forschenden eingereicht werden. Einsendeschluss ist der 30. April 2021.

Das Doktorand*innen-Forum verzichtet auf die klassische Tagungsstruktur. Statt in einer Sektion Vortrag auf Vortrag folgen und diese von eine/r Kommentator/in danach zusammenführen zu lassen, sollen die Teilnehmer/innen sich in einer kurzen Präsentation zu einer von den Organisator/innen im Vorfeld aufgestellten These oder Frage positionieren. Dies soll eine lebendige Diskussion ermöglichen. Die jeweiligen Thesen werden bei der Zusammenstellung der Panels auf Basis der eingereichten Texte entwickelt und den Beitragenden im Vorfeld zugesendet. Die bis zum 15. Mai 2021 auszuwählenden Referent*innen werden gebeten, Diskussionspapiere von max. sechs Seiten auszuformulieren. Das Doktorand*innen-Forum legt den Schwerpunkt auf die Diskussion der Thesen und Herausforderungen der jeweiligen Beiträge und Forschungsvorhaben. Hierfür bitten wir um eine kompakte und problemorientierte Präsentation. Gerne gesehen sind innovative Präsentationstechniken.

Kontakt

Maren Francke
Tom Koltermann
Florian Schikowski
Elke Sieber
Robert Mueller-Stahl

ZZF Potsdam
Am Neuen Markt 1, 14467 Potsdam

doktorandenforum [at] zzf-potsdam.de (subject: Doktorand%2Ainnen-Forum)

News