Kriegsarbeiter und globale Akteure. Privatisierte Gewalt und ihre Protagonisten, 1960-2010

Beginn des Projektes: April 2024

Assoziiertes Forschungsprojekt

Nicht nur Militär-Historiker:innen zählen die Privatisierung militärischer Gewalt seit den 1960er Jahren des 20. Jahrhunderts zu den bedeutendsten Entwicklung der jüngeren Zeitgeschichte. Auch Politikwissenschaftler:innen, Jurist:innen und Aktivist:innen diskutieren seitdem intensiv und kontrovers die Legitimität und Effektivität sogenannter Private Military Companies, die im frühen 21. Jahrhundert zu einer vielgefragten Industrie avanciert sind. Die Intensität und Kontroversität, mit der die „Wiedergeburt des Söldnerwesens“ (Torsten Thomas/Gerhard Wiechmann)seit den 1960er Jahren diskutiert wird, verweist darauf, dass die Privatisierung militärischer Gewalt zwar nicht als unvereinbar, aber nach wie vor als Herausforderung gültiger Normen und nationalstaatlicher Gesetze betrachtet wird. Söldner gelten als Grenzgänger bzw. Grenzverletzter und stehen grundsätzlich für „Käuflichkeit, Gewissenlosigkeit, Bindungslosigkeit“ (Michael Sikora). Umso bemerkenswerter ist es, dass in Anbetracht der Vielzahl an wissenschaftlichen Publikationen zum Thema bislang niemand genauer untersucht hat, wer sich als Söldner betätigt, welche Ursachen dieser Betätigung zugrunde liegen und welche individuellen Interessen sich mit ihr verknüpfen.

Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts stehen daher die Agency moderner, insbesondere britischer Söldner, die nicht nur zu den Pionieren zeitgenössischer PMCs zählen, sondern sich auch durch eine Vielzahl von Veröffentlichungen hervorgetan haben. Wann, warum und unter welchen Umständen entschlossen sie sich, sich fortan als Söldner zu betätigen? Wie gelang es ihnen, sich über Jahrzehnte in einem Metier zu behaupten, das nicht nur mit vielfältigen Risiken und Gefahren verbunden ist, sondern auch lange Zeit weitgehend informell und klandestin funktionierte? Und welchen Einfluss nahmen sie solchermaßen auf die zunehmend marktförmige Privatisierung militärischer Gewalt seit 1990?    

Indem das Forschungsprojekt moderne Söldner und ihre Agency in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses rückt, verknüpft es verschiedene, häufig unverbundene Forschungsfelder der aktuellen Zeitgeschichte: Erst in jüngerer Zeit hat sich die Labor History Fragestellungen geöffnet, die Krieg als Arbeit begreifen, um auf diese Weise konsequent danach fragen, „why soldiers enlist, why they fight and how they understand what they are owned“ (Samuel Daly). Die Vielzahl an auch kommerziell erfolgreichen Söldner-Memoiren verweist darauf, dass sie in dieser Hinsicht durchaus auskunftsfreudig sind. Betrachtet man ihre Selbstzeugnisse jedoch als strategische Interventionen in gesellschaftlichen Debatten über den Charakter und die Legitimität gegenwärtiger Kriege, so erweisen sie sich zugleich als wichtige Quellen gesellschaftlicher Militarisierungsdebatten in westlichen Gesellschaften. Als global agierende Akteure par excellence lenken sie den Blick wiederum auf die scheinbar jenseits eindeutiger Demarkationslinien liegenden Randzonen und in-between spaces unserer globalisierten Welt, in denen rechtliche und kulturelle Werte sowie politische und ökonomische Interessen konkurrieren und neu verhandelt werden und erlauben danach zu fragen, wie „they [were] able to link their individual fate to the paramount reorganization and/or rupture of politics and society“ (Isabella Löhr) in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Dr. Tilmann Siebeneichner

Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Am Neuen Markt 1
14467 Potsdam

Tel.: +49 331 2899-163
Email: siebeneichner [at] zzf-potsdam.de

Forschung

Kriegsarbeiter und globale Akteure. Privatisierte Gewalt und ihre Protagonisten, 1960-2010

Beginn des Projektes: April 2024

Assoziiertes Forschungsprojekt

Nicht nur Militär-Historiker:innen zählen die Privatisierung militärischer Gewalt seit den 1960er Jahren des 20. Jahrhunderts zu den bedeutendsten Entwicklung der jüngeren Zeitgeschichte. Auch Politikwissenschaftler:innen, Jurist:innen und Aktivist:innen diskutieren seitdem intensiv und kontrovers die Legitimität und Effektivität sogenannter Private Military Companies, die im frühen 21. Jahrhundert zu einer vielgefragten Industrie avanciert sind. Die Intensität und Kontroversität, mit der die „Wiedergeburt des Söldnerwesens“ (Torsten Thomas/Gerhard Wiechmann)seit den 1960er Jahren diskutiert wird, verweist darauf, dass die Privatisierung militärischer Gewalt zwar nicht als unvereinbar, aber nach wie vor als Herausforderung gültiger Normen und nationalstaatlicher Gesetze betrachtet wird. Söldner gelten als Grenzgänger bzw. Grenzverletzter und stehen grundsätzlich für „Käuflichkeit, Gewissenlosigkeit, Bindungslosigkeit“ (Michael Sikora). Umso bemerkenswerter ist es, dass in Anbetracht der Vielzahl an wissenschaftlichen Publikationen zum Thema bislang niemand genauer untersucht hat, wer sich als Söldner betätigt, welche Ursachen dieser Betätigung zugrunde liegen und welche individuellen Interessen sich mit ihr verknüpfen.

Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts stehen daher die Agency moderner, insbesondere britischer Söldner, die nicht nur zu den Pionieren zeitgenössischer PMCs zählen, sondern sich auch durch eine Vielzahl von Veröffentlichungen hervorgetan haben. Wann, warum und unter welchen Umständen entschlossen sie sich, sich fortan als Söldner zu betätigen? Wie gelang es ihnen, sich über Jahrzehnte in einem Metier zu behaupten, das nicht nur mit vielfältigen Risiken und Gefahren verbunden ist, sondern auch lange Zeit weitgehend informell und klandestin funktionierte? Und welchen Einfluss nahmen sie solchermaßen auf die zunehmend marktförmige Privatisierung militärischer Gewalt seit 1990?    

Indem das Forschungsprojekt moderne Söldner und ihre Agency in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses rückt, verknüpft es verschiedene, häufig unverbundene Forschungsfelder der aktuellen Zeitgeschichte: Erst in jüngerer Zeit hat sich die Labor History Fragestellungen geöffnet, die Krieg als Arbeit begreifen, um auf diese Weise konsequent danach fragen, „why soldiers enlist, why they fight and how they understand what they are owned“ (Samuel Daly). Die Vielzahl an auch kommerziell erfolgreichen Söldner-Memoiren verweist darauf, dass sie in dieser Hinsicht durchaus auskunftsfreudig sind. Betrachtet man ihre Selbstzeugnisse jedoch als strategische Interventionen in gesellschaftlichen Debatten über den Charakter und die Legitimität gegenwärtiger Kriege, so erweisen sie sich zugleich als wichtige Quellen gesellschaftlicher Militarisierungsdebatten in westlichen Gesellschaften. Als global agierende Akteure par excellence lenken sie den Blick wiederum auf die scheinbar jenseits eindeutiger Demarkationslinien liegenden Randzonen und in-between spaces unserer globalisierten Welt, in denen rechtliche und kulturelle Werte sowie politische und ökonomische Interessen konkurrieren und neu verhandelt werden und erlauben danach zu fragen, wie „they [were] able to link their individual fate to the paramount reorganization and/or rupture of politics and society“ (Isabella Löhr) in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Dr. Tilmann Siebeneichner

Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Am Neuen Markt 1
14467 Potsdam

Tel.: +49 331 2899-163
Email: siebeneichner [at] zzf-potsdam.de

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