Abschied von der Russeninsel. Vom Abzug zum verlorenen Ort

Abschied von der Russeninsel Plakat

Bildinfo

© BKG; Foto: Kevin Fuchs; Design: Ta-Trung

Art der Veranstaltung
Kulturfest
Datum
-
Ort
Küstriner Vorland
Veranstaltungsort: Kulturhaus Küstriner Vorland, Karl-Marx-Str. 36, 15328 Küstriner Vorland
Zeit: 10 - 17 Uhr
Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung nicht erforderlich.

 

Eine Veranstaltung aus Anlass des 30. Jahrestages des Abzuges der sowjetischen Truppen aus Deutschland.

Veranstalter: Kietz-Bahnhof/Dworzec Chyza e.V., „Welten verbinden – Kulturland Brandenburg 2024/25“, Brandenburg Museum für Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit und Leibniz-Lab „Gesellschaftliche Umbrüche und Transformationen“ am ZZF Potsdam

 

Programm:

10:00 Uhr

Begrüßung durch die Veranstalter

 

10:20 Uhr 

Die sowjetische Garnison auf der Oderinsel 

Bericht über eine Recherche: Tobias Lenel und Wanja Müller

Zwischen dem DDR-Dorf Kietz und der Odergrenze zur polnischen Industriestadt Kostrzyn befand sich seit Beginn der 1950er Jahre bis zum Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland eine sowjetische Garnison. Die dort stationierten Einheiten (Brückenbaupio­niere und chemische Truppen) nutzten die weitestgehend erhalten gebliebenen Gebäude der 1903 an der Oder errichteten Artilleriekaserne. Die Soldaten und Offiziere kamen aus allen Teilen der Sowjetunion. Noch heute sind in den verfallenden Gebäuden und an alten Brückenmauern die Inschriften von Soldaten mit deren Dienstzeit und Herkunftsorten sicht­bar. Was ist aus den sowjetischen Soldaten und Offizieren nach dem Abzug 1991 aus Küstrin-Kietz geworden? Wie erinnern sie sich an ihre Dienstzeit, ihre Begegnungen mit der DDR-Bevölkerung und den Abschied aus Deutschland? Tobias Lenel und Wanja Müller haben sich dazu auf eine teilweise abenteuerliche Spurensuche begeben.

 

11:00 Uhr

Sven Johne „Das sowjetische Hauptquartier“

Filmvorführung 

Sven Johnes Film Das sowjetische Hauptquartier (2023) spielt auf dem heute brachliegenden Gelände des ehemaligen Hauses der Offiziere in Wünsdorf, Brandenburg. Das im frühen 20. Jahrhundert im neobarocken Stil errichtete schlossartige Anwesen diente bis 1994 als kultu­relles Hauptquartier der in Ostdeutschland stationierten sowjetischen Truppen. In Johnes Arbeit wird dieses Hauptquartier zum Schauplatz eines Gesprächs zwischen dem zum Erfolg verdammten Immobilienmakler Becker (Marc Zwinz) und der vermeintlichen Interessentin Katharina Baronn (Luise Helm), die zunächst gedankenverloren die Räumlichkeiten besich­tigt. Im Verlauf des Filmes tritt der innere Monolog Katharina Baronns in den Vordergrund: sie erlebte hier als 8-jähriges Kind den Abzug der sowjetischen Truppen. Seither geistert eine sentimentale „Kindersowjetunion“ (Johne) als vermeintliche Alternative zum real existieren­den Kapitalismus in ihren Erinnerungen. In Das sowjetische Hauptquartier geht es um frühe Prägungen, um die Wirkmächtigkeit von Ideologien und um den Abschied von der Kindheit.

 

11:30 Uhr

Befreundete Besatzer

Ein Gespräch mit dem Filmemacher und Zeitzeug*innen aus Küstrin-Kietz

Moderation: Jürgen Danyel (Kietz-Bahnhof e.V.)

Kontakte der sowjetischen Militärangehörigen mit der ostdeutschen Bevölkerung sollten möglichst in organisierter Form bei Freundschaftstreffen, am „Tag der Befreiung“ am 8. Mai und anderen offiziellen Anlässen stattfinden. Trotz dieser Abschottung gab es im Alltag viel­fältige Kontakte und Beziehungen zwischen den sowjetischen Militärangehörigen auf der Oderinsel und der DDR-Bevölkerung im Oderbruch: Sowjetische Soldaten halfen bei der Ernte, bei Hochwasser oder auf dem Bau. Sowjetische Offiziersfrauen arbeiteten im Armatu­renwerk von Kietz, regionale Handwerker für die Garnison. Patenschaften mit Schulklassen gehörten ebenfalls zu den direkten Begegnungen. Es gab einen florierenden Tausch- und Schwarzhandel z.B. mit Benzin und Diesel aus Militärbeständen, gelegentlich konnten DDR-Bürger im sogenannten „Magazin“, den kaserneneigenen Verkaufsstellen, Wodka, Sekt, Fischkonserven, Moskauer Eis und russische Süßigkeiten einkaufen. Wie erinnern die Kietzer ihre Begegnungen mit den „Freunden“? Welche Prägungen sind daraus erwachsen? Warum tun sich viele Ostdeutsche so schwer, wenn es um die Kritik an Putins Russland und an den Angriffskrieg gegen die Ukraine geht?

 

12:30 – 14:00 Uhr Mittagspause

Gelegenheit zum Besuch der Ausstellung „Die Russeninsel. Spuren einer Begegnung“ in den Räumen des Vereins Kietz-Bahnhof/Dworzec Chyza im Bahnhof Küstrin-Kietz.

Führung: Elke Kimmel (Kietz-Bahnhof e.V.)

 

14:00 – 15:30 Uhr

Die Oderinsel – Bilanz einer gescheiterten Transformation

Podiumsdiskussion

Moderation: Andreas Rausch (rbb)

Teilnehmer: Rydzard Skałba (Museum der Festung Küstrin), Sabine Rennefanz (Journalistin und Autorin), Małgorzata Popiołek-Roßkamp (Historikerin vom IRS Erkner), Jürgen Danyel (Historiker, Senior Fellow ZZF Potsdam)
 

Die Oderinsel bei Küstrin-Kietz bietet inzwischen einen traurigen Anblick: Die Folgen des Leerstands und der Verfall der denkmalgeschützten Gebäude der ehemaligen Artillerieka­serne sind nicht zu übersehen. Das Gelände ist mit einem Sicherheitszaun abgesperrt. Die Natur erobert das gesamte Areal zurück. 
Nach dem bereits 1991 erfolgten Abzug der sowjetischen Truppen aus Küstrin-Kietz sah dies noch ganz anders aus. Hochfliegende Pläne weckten Hoffnungen auf eine schnelle Konver­sion des umweltbelasteten Militärgeländes an der nun geöffneten deutsch-polnischen Grenze. Auf dem Areal sollten wahlweise eine zollfreie Wirtschafts- und Handelszone oder ein Gesundheitszentrum entstehen. Verwitterte Informationstafeln künden von dem Ver­such, die unter Naturschutz gestellte Oderinsel mit ihrer Artenvielfalt sichtbar zu machen. Im Jahr 2003 beschlossen die Gemeindevertretung von Küstriner Vorland und der Stadtrat von Kostrzyn, sich beim Deutschen Bundestag um die Ausrichtung des geplanten Europäischen Zentrums gegen Vertreibungen auf der Oderinsel zu bewerben. Alle diese und weitere Ini­tiativen scheiterten. Im April 2024 wurden die Planungen des Brandenburger Innenministeri­ums öffentlich, auf der Oderinsel ein Abschiebezentrum für abgelehnte Asylsuchende ein­zurichten. Einmal mehr wurde damit die Oderinsel für die Menschen in Küstrin-Kietz zum Symbol einer gescheiterten Transformation. Wo liegen die Ursachen für diese Entwicklung und welche Perspektiven gibt es angesichts dieser Situation für den abgehängten Ort und die umliegende Oderregion?

 

15:30 bis 16:30 Uhr

Kaffeepause mit Zeitzeugengesprächen

 

16:30 Uhr

Exkursion zur Oderinsel

Bustransfer und Führung über das Areal auf der Oderinsel
Martin Rogge (Verein für die Geschichte Küstrins) und Jürgen Danyel

 

Veranstaltungsort

Kulturhaus Küstriner Vorland
Karl-Marx-Str. 36
15328 Küstriner Vorland

Kontakt und Anmeldung
Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung nicht erforderlich.