Geschichtliche Grundfragen: Teil XI »Gibt es historische Wahrheit?«

Wladimir Iljitsch Lenin bei einer Rede im Mai 1920. Aus dem Bild wurden Leo Trotzki und Lew Kamenew später auf Anordnung von Josef Stalin herausretuschiert (Foto: Grigori Petrowitsch Goldstein / Gemeinfrei).

Bildinfo

Wladimir Iljitsch Lenin bei einer Rede im Mai 1920. Aus dem Bild wurden Leo Trotzki und Lew Kamenew später auf Anordnung von Josef Stalin herausretuschiert (Foto: Grigori Petrowitsch Goldstein / Gemeinfrei).
Mehr Infos zum Bild: Klaus Waschik, Virtual Reality. Sowjetische Bild- und Zensurpolitik als Erinnerungskontrolle in den 1930er-Jahren, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 7 (2010), S. 30-54, URL: https://zeithistorische-forschungen.de/1-2010/4745

Art der Veranstaltung
Diskussionsreihe
Datum
-
Ort
Online

Online via Zoom
Zeit: 17:15-18:45 Uhr

XI. Veranstaltung der Diskussionsreihe "Geschichtliche Grundfragen"

Eingangsstatements von: Gisela Hürlimann, Marian Füssel, Rüdiger Graf
Moderation: Ulrike Schaper

Veranstalter*innen der Online-Reihe: Rüdiger Graf (ZZF Potsdam), Matthias Pohlig (HU Berlin), Ulrike Schaper (FU Berlin) 

Gibt es historische Wahrheit? Diese Frage ist nicht neu. Ob und in welcher Weise Aussagen über historische Sachverhalte „wahr“ sein können und was die Beantwortung dieser Frage über den epistemologischen Status der Geschichtswissenschaft oder Geschichtsschreibung aussagt, wird seit der Antike reflektiert. Zuletzt besonders intensiv diskutiert wurde die Frage ab den 1990er Jahren im Rahmen der Debatte über die Kulturgeschichte und die Herausforderungen der Geschichtswissenschaft durch postmoderne und poststrukturalistische Theorien. Im Zuge dieser Debatten stritten Historiker*innen engagiert darüber, ob ein Begriff wie „Wahrheit“ für das, was sie tun, überhaupt eine angemessene Kategorie ist und ob es nicht eher um „Genauigkeit“, „Präzision“ oder „sachliche Richtigkeit“ und die Überzeugungskraft der Erzählung geht. Ist Wahrheit ein stets unerreichbares Ideal oder eine regulative Idee; wie emphatisch ist der Begriff zu verwenden, und auf was er kann er sich überhaupt beziehen: einzelne Aussagen, Gesamtinterpretation eines historischen Sachverhaltes oder Narrative? Angesichts der Pluralisierung des Fachs wurde darum gestritten, ob es nur eine Wahrheit oder mehrere Wahrheiten parallel geben könne. Inzwischen ist diese Debatte, wie die Diskussion über die Kulturgeschichte insgesamt, abgeflaut, ohne dass die Frage zufriedenstellend geklärt worden wäre.

In jüngster Zeit hat die Frage aber auf unerwartete Weise erneut an Relevanz gewonnen, und zwar durch eher politische als wissenschaftsimmanente oder theoretische Herausforderungen. Die Debatte um das postfaktische Zeitalter und „post truth“, die im Zusammenhang mit Klimakrise und Pandemie wiederholt beobachtbare Wissenschaftsskepsis und die offene Instrumentalisierung von Geschichte durch neue autoritäre Regierungen auf der ganzen Welt führt dazu, dass die postmoderne Wahrheitsskepsis der Jahrtausendwende schal geworden ist und vielen Historiker*innen frivol oder gar gefährlich erscheint. Grund genug, die Frage nach der Wahrheit wieder aufzugreifen. Wir wollen dabei das Spannungsfeld zwischen epistemologischen Problemen und politischen Herausforderungen nicht vorab auflösen, sondern für eine produktive Debatte nutzen.


Zur Diskussionsreihe „Geschichtliche Grundfragen“:

Mit den sozial-, geschlechter-, kultur- und globalgeschichtlichen Erweiterungen der Geschichtswissenschaft vor allem seit den 1970er Jahren sind ihre Themen vielfältiger, die theoretischen Ansätze und Methoden pluraler und Forschungsdesigns multiperspektivischer geworden. Dementsprechend hat die Komplexität des Fachs zugenommen, das heute in seiner Vielgestaltigkeit gerade auch über die Epochengrenzen hinweg kaum noch zu überblicken ist. Angesichts dieser Pluralisierung scheinen die Konturen der Geschichtswissenschaft zu verschwimmen, was von den einen als „anything goes“ beklagt und von anderen als notwendige Diversitätssteigerung begrüßt wird. Unserer Ansicht nach stellen sich aber auch angesichts der Vervielfältigung von Perspektiven, Zugängen und Quellenkorpora auf einer ganz basalen Ebene des historischen Arbeitens noch immer gleiche oder zumindest ähnliche Grundfragen: Was ist eine gute historische Frage? Gibt eine Einheit der Geschichte oder nur partiale Geschichten? Wie politisch kann, darf und muss Geschichte sein? Ist historische Erkenntnis objektiv? Wie sollen die räumlichen und zeitlichen Bezüge unserer Forschungen gestaltet sein?

Veranstaltungsort

Online via Zoom

Zeit: 17:15-18:45 Uhr

https://hu-berlin.zoom-x.de/j/62900395967?pwd=EJoLqBIg9NkbDfyaRnDMmP5Z6wRitz.1  
Meeting-ID: 629 0039 5967 
Passwort: 179829 

Kontakt und Anmeldung

Kontakt für das ZZF: 
Rüdiger Graf

Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam 
Am Neuen Markt 1 
14467 Potsdam

Tel.: 0331/74510-129 Fax: 0331/74510-143 
E-Mail: graf [at] zzf-potsdam [dot] de (graf[at]zzf-potsdam[dot]de)