Das aktuelle Heft der Fachzeitschrift „Zeithistorische Forschungen“ diskutiert und praktiziert Verbindungen von ethnographischen und zeitgeschichtlichen Studien. Die Beiträge eröffnen neue Perspektiven auf materielle Kulturen, ökonomische Beziehungen, digitale Infrastrukturen und künstlerische Praktiken zwischen Afrika, Asien und Europa. Sie zeigen, dass sich im Terrain der Archivarbeit und Feldforschung auch ein grundsätzliches Nachdenken aufdrängt: über die je eigene Fachgeschichte, Forschungsethik und Arbeitsformen, Ein- und Ausschlüsse. Die „Zeithistorischen Forschungen“ erscheinen gedruckt im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht und im Open Access.
Die Bezeichnung „Sozial- und Kulturanthropologie“ folgt den heute dominierenden Begriffen für diejenigen Fächer, die früher als „Ethnologie“, „Völkerkunde“ bzw. (mit Bezug auf Europa) „Volkskunde“ firmierten. Im Zuge der Dekolonialisierung und der postkolonialen Debatten sind die mit den Fächerbezeichnungen jeweils verbundenen Denk- und Forschungstraditionen selbst zum Gegenstand einer kritischen Historisierung geworden; viele Institute und Museen wurden umbenannt. Die unterschiedlichen Richtungen und Verständnisse von „Anthropologie(n)“ werden im Themenheft einleitend skizziert. Im Vordergrund steht hier jedoch das konkrete Zusammenwirken ethnographischer und historischer Zugänge. Beide Fachrichtungen haben wichtige Gemeinsamkeiten – zum Beispiel die Beschäftigung mit dem „Eigenen“ und dem „Anderen“, mit universalen und partikularen Perspektiven, mit Texten und Kontexten, mit visueller und materieller Kultur, mit zeitlichen und sprachlichen Übersetzungen.
Die Beiträge des Themenheftes, zum Teil verfasst von Autor:innen-Tandems beider Fächer, verdeutlichen Potentiale und Ergebnisse gemeinsamen Forschens. Ein Aufsatz über den deutschen Ethnologen Hans Himmelheber (1908–2003) zeigt mit umfangreichem Bildmaterial, wie historische Dokumente, Filme, Fotos und Objekte vor allem aus der heutigen Côte d’Ivoire und der Demokratischen Republik Kongo neu befragt werden können. Wissenschaftliche und künstlerische Forschung, afrikanische und europäische Perspektiven treten hier in einen produktiven Austausch. Ein anderer Aufsatz widmet sich der Wiederverwendung von Baumaterialien in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg und in der heutigen Kreislaufwirtschaft in Österreich. Aus der Verbindung dieser sehr unterschiedlichen Kontexte ergeben sich neue Erkenntnisse etwa über den Wert manueller Arbeit. Weitere Themen sind die chinesisch-schweizerischen Wirtschaftsbeziehungen (von den 1970er-Jahren bis heute) sowie die noch relativ neue Praxis des Crowdfunding. Am Beispiel eines Schweizer Crowdfunding-Anbieters wird gezeigt, dass zunächst einmal ausgehandelt werden musste, was Crowdfunding in rechtlicher, wirtschaftlicher, politischer, sozialer Hinsicht überhaupt ist und wie es sich von früheren Formen des Spendens unterscheidet. Einer der Gründer der untersuchten Start-up-Firma hatte zuvor Geschichte und Ethnologie studiert – eine eher zufällige, für das Themenheft aber gut passende Pointe.
Eine Website-Besprechung stellt das Projekt „Digital Benin“ vor. In der Rubrik „Neu gelesen“ werden zwei ältere Bücher präsentiert, die auch für heutige Debatten inspirierend sein können: Hans Peter Duerrs Bestseller „Traumzeit. Über die Grenze zwischen Wildnis und Zivilisation“ von 1978 sowie Sidney W. Mintzʼ dezidiert politische „Kulturgeschichte des Zuckers“ von 1985/87. Mintzʼ Plädoyer, dass eine „Anthropologie des modernen Lebens“ ebenso der Feldforschung bedürfe wie der Geschichtswissenschaft, bleibt weiterhin anregend.
Die „Zeithistorischen Forschungen“ werden am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam von Frank Bösch und Martin Sabrow herausgegeben. Die Zeitschrift erscheint gedruckt im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht und zugleich im Open Access. Gastherausgeberinnen des aktuellen Themenheftes sind Monika Dommann (Universität Zürich) und Lena Kaufmann (Universität Fribourg).
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Dr. Lena Kaufmann, Universität Fribourg, Departement für Sozialwissenschaften, Einheit für Sozialanthropologie
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Originalpublikation:
Themenheft „Sozial-/Kulturanthropologie und Zeitgeschichte“
https://zeithistorische-forschungen.de/1-2024-2025
Weitere Informationen:
https://zeithistorische-forschungen.de – Zeithistorische Forschungen im Open Access
https://zzf-potsdam.de – Website des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam
https://www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com - Website der Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
https://www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/themen-entdecken/geschichte/zeitgeschichte-ab-1949/60095/zeithistorische-forschungen-2024/2025-jg-21-heft-1– Bestell-Link