Forschungsprojekt
Laufzeit: seit 2023
Der Kern moderner Demokratien besteht im Recht des Einzelnen, seine Stimme zu erheben und sich an politischen Entscheidungsprozessen aktiv zu beteiligen. Seit den 1970er Jahren ist in den westeuropäischen Gesellschaften jedoch eine immer größere Zahl von als migrantisch kategorisierten Menschen von der Teilhabe an Demokratie aufgrund von ethnisierenden Diskursen und Praktiken ausgeschlossen, die sie als das nicht integrierte Andere der Gesellschaft darstellen. Erstaunlicherweise ist das Verhältnis zwischen Migration und Demokratie allerdings nur selten historisch untersucht worden. Daher wissen wir wenig darüber, wie die Präsenz und soziale Teilhabe von Migrierenden die demokratischen Praktiken und Visionen in Westeuropa zwischen den 1970er Jahren und der Durchsetzung der EU-Bürgerschaft in den 2000er Jahren tatsächlich verändert haben.
Das Projekt untersucht in historischer Perspektive, wie Migration die westeuropäischen Demokratien transformierte. Es zielt darauf ab, die gegenwärtigen – zum Teil rassifizierenden – Narrative über die Destabilisierung von Demokratie durch einen 'migrantischen Anderen' kritisch zu hinterfragen. Ausgehend von den 1970er Jahren wird in einer vergleichenden und verflechtungsgeschichtlichen Perspektive gefragt, wie die Bedeutung von Migration für die westeuropäischen Gesellschaften jeweils (kontrovers) ausgehandelt wurde. Im Anschluss an die Diskussion um die Autonomie der Migration liegt der methodische Fokus auf den Kämpfen der Migration um gesellschaftliche Partizipation und politische Anerkennung. Das Projekt geht davon aus, dass die Art und Weise, wie die europäischen Gesellschaften das Verhältnis zwischen Demokratie und Migration seit den 1970er Jahren verhandelt haben, den Blick für zentrale soziale Dynamiken wie Inklusion und Exklusion, Zugehörigkeit und Nicht-Zugehörigkeit öffnet. Das Ziel ist es, die grundlegenden demokratischen Selbstbeschreibungen der westeuropäischen Gesellschaften zu erfassen und kritisch zu reflektieren.