Call for Exposés für die Tagung "De-/Re-/Kontaminierungen im Kunstfeld nach 1945"

Call for Papers

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Unter dem Titel „De-/Re-/Kontaminierungen im Kunstfeld nach 1945“ laden das documenta Institut Kassel und das Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam am 3. November 2025 zu einer Tagung in den Luisensaal der Humboldt-Universität zu Berlin ein. Die Tagung findet in Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, dem Georg-Kolbe-Museum Berlin und dem Kunstpalast Düsseldorf statt.

Forschende, die sich in ihrer Arbeit mit den Themen der Tagung befassen, sind eingeladen, ihre Forschungsergebnisse vorzustellen und gemeinsam zu diskutieren. Es gibt sechs Themenfelder, zu denen jeweils Exposés von maximal 2.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) per E-Mail an office [at] documenta-institut [dot] de (office[at]documenta-institut[dot]de) eingereicht werden können. Wir bitten zudem um die Zusendung einer Kurzbiografie von max. 2.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) sowie der Kontaktdaten.

Reise- und Übernachtungskosten werden von den Veranstaltern übernommen.

Rückfragen zur Bewerbung richten Sie bitte an Jutta Braun, braun [at] zzf-potsdam [dot] de (braun[at]zzf-potsdam[dot]de) oder Maria Neumann, neumann [at] documenta-institut [dot] de (neumann[at]documenta-institut[dot]de).

Wir freuen uns auf alle Bewerbungen. Einsendeschluss ist der 6. Juli 2025.

Themenfelder:

1. Institutionen und Ausstellungspraxis

Wie wurde mit Kunst im Nationalsozialismus nach 1945 in Ausstellungen und Museen umgegangen? Welche personellen Konstellationen übten maßgeblichen Einfluss aus? Wie war der Zusammenhang von Ausstellungsarchitekturen und politischer Agenda, wenn es darum ging, belastete Werke zu dekontaminieren und veränderte ästhetische Präferenzen hervorzuheben? Und welche Ausstellungsformate und -praktiken können für die verschiedenen geografischen Kontexte im Sinne des Systemwechsels nach 1945 herausgearbeitet werden?

2. (Werk-)Biografien

Welche Künstler:innen wurden nach 1945 (noch oder wieder) gezeigt? Welche Werke und Künstler:innen galten demgegenüber als untragbar und warum? Wer verhandelte darüber und wie reagierte das Publikum darauf? Welche Wege gingen einzelne Künstler:innen, um sich nach 1945 erneut zu etablieren?

3. Netzwerke

Welche Rolle spielten Freundeskreise, Fördervereine und andere private Initiativen oder Mäzene im Kunstausstellungsbereich und speziell bei dem Versuch, einzelne Künstler:innen oder Kunstwerke vergangenheitspolitisch zu rehabilitieren?

4. Politik des Ästhetischen

Handelte es sich bei der von Werner Haftmann zur „Weltsprache“ erklärten Abstraktion auch um eine Dekontaminierungsstrategie? Welche politischen Umstände verhinderten oder beförderten die Darstellung von Krieg und Holocaust als Sujet?

5. Aufarbeitung und Marktwert

Welche Wirkung hatte der Stand der Vergangenheitsbewältigung in der Bundesrepublik, welchen Anteil das Werk von Nachkriegskünstler:innen und ihre Verarbeitung des Nationalsozialismus auf die Akzeptanz (und damit den Marktwert) deutscher Kunst im Ausland, besonders in den USA?

6. Historisierung des Forschungsstands

Was war über wen zu welchem Zeitpunkt bekannt? Wie ist es möglich, dass eine umfängliche Aufarbeitung der NS-Kontinuitäten im Kunstfeld (im Unterschied zu anderen gesellschaftlichen Teilbereichen) erst so spät in Angriff genommen wurde? Wie ist im Gegensatz dazu die politische/ideologische Inszenierung von Antifaschismus als Antipode zu diesen Kontinuitäten zu bewerten? Wie lassen sich frühe kritische Ansätze und der jeweilige Stand der Forschung historisieren?


Thema der Tagung:

Schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit fanden im geteilten Deutschland sowie in Österreich wieder zahlreiche Kunstausstellungen statt. Auch im Kunstfeld gab es mithin keine „Stunde Null“, sondern neben Brüchen als selbstverständlich angesehene sowie retuschierte und beschwiegene Kontinuitäten. Debatten, die bislang im Schnittfeld von Zeitgeschichte und Kunstgeschichte geführt wurden, beschäftigten sich intensiv mit Raubkunst und Arisierungen. Die hierbei boomende Provenienzforschung wirkte zunehmend als Katalysator einer gesellschaftsgeschichtlichen Perspektivierung in Bezug auf Wissenskontexte des Rechts und Unrechts – denn von der Frage nach der Herkunft der Objekte leitete sich der kritische Blick auf die Strukturen des Kunstbetriebs und offizielle wie informelle Dis-/Kontinuitäten über den Epochenwechsel von 1945 hinaus ab.

Die Tagung möchte deshalb die Zeitgeschichte des Kunstbetriebs aus interdisziplinärer Sicht in den Mittelpunkt stellen und Umgangsformen mit Belastung und Kontaminierung im Kunstfeld nach 1945 untersuchen. Es wird gefragt, welche Bedeutung der Kunst- und Kulturbetrieb für die NS-Aufarbeitung oder ihre Verdrängung und ihre Blockaden hatte. Hierbei sollen kunst- und zeithistorische Ansätze gleichermaßen miteinbezogen werden.

Die Tagung will Begriffe wie Kontaminierung oder Aufarbeitung diskutieren, auf Basis eines breiten Quellenverständnisses Methoden reflektieren und den Forschungsstand historisieren, also die Geschichte der Kunstgeschichte und die Zeitgeschichte des Kunstbetriebs selbst kritisch hinterfragen – aber auch die Leerstellen im zeithistorischen Blick auf das Thema kenntlich machen.

Hierbei soll die Zäsur von 1945 unterschiedlich perspektiviert werden: Entlastungs- und Dekontaminierungsstrategien der zeitgenössischen Kunstszene und Kunstwissenschaft gehören hierzu ebenso wie ästhetische Reaktionen und Bewältigungs- oder Vernebelungsstrategien. Von besonderem Interesse sind zudem die Konjunkturen von kritischer Verarbeitung oder Verdrängung und die ihnen zugrundeliegenden gesellschaftlichen Wandlungsprozesse: Wo äußerten sich generationelle Faktoren (Kunsthistorikertag 1970 in der Bundesrepublik), welche Rolle spielen staatliche Ausstellungsprogramme oder Künstlerförderungen für die Erzeugung zeithistorischer Narrationen, welchen Einfluss hatte die zweite Epochenzäsur des 20. Jahrhunderts 1989/90 für den Blick auf 1945? Schließlich: Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich in den drei Nachfolgestaaten des Nationalsozialismus, Bundesrepublik Deutschland, DDR und Österreich beobachten?

Weitere Informationen zur Tagung finden Sie hier.