Zeit: 18 bis 20 Uhr
Was wollten die DDR-Bürgerinnen und -Bürger, die im Herbst 1989 auf die Straße gingen – und was wollten diejenigen, die zu Hause blieben? Inwiefern interessierten sie sich für Politik? Und was verstanden sie unter Demokratie? Diese Fragen beschäftigen die Debatten bis in die Gegenwart. Unter der SED-Diktatur war die unabhängige Artikulation von politischen Ansichten unmöglich, es gab keine unabhängige Presse und keine freien Wahlen. Doch auch die DDR-Bevölkerung bildete sich Meinungen über Politik jenseits der Politbürokratie. Aus Geheimdienstberichten und verdeckten Meinungsumfragen lässt sich rekonstruieren, was die DDR-Bevölkerung unter Politik verstand und an welchen Werten sie sich orientierte: Wie wichtig war ihnen persönliche Beteiligung? Was hielten sie vom westlichen Parteiensystem, von Pluralismus und liberaler Ordnung? Welche politischen Milieus gab es, wer war liberal, wer konservativ, wer sozialdemokratisch, wer autoritär? Welche Politiker beeindruckten sie? Die Frage nach der Verankerung der Demokratie in der deutschen Gesellschaft beschäftigt die Zeitgeschichte seit dem Nationalsozialismus. Wie lassen sich die Befunde für die DDR-Gesellschaft einordnen – im Vergleich zur Demokratiegeschichte der Bundesrepublik, aber auch im langen Blick auf das 20. Jahrhundert?
Zur Ringvorlesung:
Vor 30 Jahren wurden die kommunistischen Diktaturen in Mittel- und Osteuropa überwunden. Seitdem steht die Chiffre »1989« für das Wunder der friedlichen Revolution und das Versprechen demokratischer Freiheiten. Tatsächlich hat der revolutionäre Aufbruch zwar umfassende politische und gesellschaftliche Umwälzungen bewirkt. Doch langfristig wurden damit in den Ländern des ehemaligen »Ostblocks« auch Entwicklungen angestoßen und Bewegungen mobilisiert, die die Werte und erkämpften Rechte von damals heute wieder in Frage stellen. Dabei schrecken ihre Vertreter nicht davor zurück, für ihre Anliegen auch mit einstigem Revolutions-Vokabular zu werben. Das Jubiläum bietet die Chance einer doppelten Neuvermessung. Die Ringvorlesung diskutiert erstens »1989« als Teil einer »langen Wende« von der geteilten Welt zum geeinten Europa und zweitens als Referenzpunkt gesellschaftlicher Krisenentwicklungen der Gegenwart. Damit eröffnet die Vortragsreihe neue Perspektiven auf das »Erbe von 1989« und eine Standortbestimmung sowohl der Berliner Republik als auch des heutigen Europas.
Veranstalter der Ringvorlesung "1989 - (k)eine Zäsur?":
Lehrstuhl für Neueste und Zeitgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin
Stiftung Berliner Mauer
Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
In Kooperation mit:
Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Konzeption der Ringvorlesung:
MARTIN SABROW
GERHARD SÄLTER
TILMANN SIEBENEICHNER
PETER ULRICH WEISS
Weitere Termine der Ringvorlesung:
15.01.2020
DOROTHEE WIERLING / ANNETTE LEO (Hamburg / Berlin)
Familienumbrüche: Die »lange Wende« als Generationenkonflikt
Ort: Bundesstiftung Aufarbeitung
22.01.2020
MANDY TRÖGER / PETER ULRICH WEISS (München / Potsdam)
Mediales Erbe: Das Nachleben der DDR in Presse und Fernsehen
Ort: Stiftung Berliner Mauer
29.01.2020
PETER BRANDT (Hagen)
Sozialismus am Ende? Metamorphosen der deutschen Linken nach 1989
Ort: Humboldt-Universität
05.02.2020
NENAD STEFANOV (Berlin)
Zwischen Ethnos und Demos: Territorialität, kulturelle Grenzen und politische Zugehörigkeit in Ostmittel- und Südosteuropa seit 1989
Ort: Bundesstiftung Aufarbeitung
12.02.2020
ANNA KAMINSKY / CHRISTINA MORINA / GERHARD SÄLTER (Berlin / Jena / Berlin)
Aufarbeitung und Wissenschaft zwischen Kooperation und Konflikt
Ort: Stiftung Berliner Mauer
Humboldt-Universität zu Berlin
Hausvogteiplatz 5–7
Saal 007
10117 Berlin
Der Eintritt zu allen Vortragsterminen der Reihe ist frei.
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Veranstaltungen werden in Ton und Bild dokumentiert und u.U. veröffentlicht.