Zeit: 18 bis 20 Uhr
Zum Vortrag:
Die jugoslawischen 1980er Jahre waren geprägt von unzähligen Reformdiskussionen. Federführend dabei war der Bund der Kommunisten Jugoslawiens selbst. Er setzte jahrelang verschiedene Kommissionen ein, die Anpassungen im davor jahrzehntelang mit Stolz praktizierten Selbstverwaltungssozialismus herausarbeiten sollten. Mit der Zeit schien jedoch das Vertrauen zu schwinden, ob Reformen das jugoslawische sozialistische System (und den damit verbundenen alleinigen Herrschaftsanspruch der Partei) im Land tatsächlich würden retten können. Vor einem solchen Hintergrund brachte der Aufstieg von Slobodan Miloševićs an die Spitze der serbischen Republikpartei ab 1987 eine neue Dynamik. Er präsentierte sich als „antibürokratischer“ Erneuerer, bediente sich eines nationalistischen Populismus und verstand sich als Retter der Partei und Jugoslawiens. Es blieb aber nicht nur bei Rhetorik. Nach und nach wurden die föderalen Parteiführungen in den autonomen Provinzen Vojvodina (1988) und Kosovo (1989) sowie in der Teilrepublik Montenegro (1989) über einen organisierten Druck der Straße von milošević-treuen Parteigängern übernommen. Vor diesem Hintergrund positionierten sich langsam immer expliziter die anderen Führungen der Republikparteien gegen Miloševićs Linie – am exponierteste jene in der Teilrepublik Slowenien. Für die Bundespartei stand das Jahr 1989 nun unter den Vorzeichen, wie man die Einheit der Partei (und damit gar auch des Landes?) noch würde bewahren können. In diesem Vortrag sollen Einblicke in diese Entwicklung im Jahre 1989 eröffnet werden. Dabei soll auch diskutiert werden, welche Blockaden sich nun als immer schwerer zu überwinden offenbarten und welche Folgen dies für die jugoslawische Staatsidee zeitigte.
Zur Ringvorlesung:
Vor 30 Jahren wurden die kommunistischen Diktaturen in Mittel- und Osteuropa überwunden. Seitdem steht die Chiffre »1989« für das Wunder der friedlichen Revolution und das Versprechen demokratischer Freiheiten. Tatsächlich hat der revolutionäre Aufbruch zwar umfassende politische und gesellschaftliche Umwälzungen bewirkt. Doch langfristig wurden damit in den Ländern des ehemaligen »Ostblocks« auch Entwicklungen angestoßen und Bewegungen mobilisiert, die die Werte und erkämpften Rechte von damals heute wieder in Frage stellen. Dabei schrecken ihre Vertreter nicht davor zurück, für ihre Anliegen auch mit einstigem Revolutions-Vokabular zu werben. Das Jubiläum bietet die Chance einer doppelten Neuvermessung. Die Ringvorlesung diskutiert erstens »1989« als Teil einer »langen Wende« von der geteilten Welt zum geeinten Europa und zweitens als Referenzpunkt gesellschaftlicher Krisenentwicklungen der Gegenwart. Damit eröffnet die Vortragsreihe neue Perspektiven auf das »Erbe von 1989« und eine Standortbestimmung sowohl der Berliner Republik als auch des heutigen Europas.
Veranstalter der Ringvorlesung "1989 - (k)eine Zäsur?":
Lehrstuhl für Neueste und Zeitgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin
Stiftung Berliner Mauer
Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
In Kooperation mit:
Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Konzeption der Ringvorlesung:
MARTIN SABROW
GERHARD SÄLTER
TILMANN SIEBENEICHNER
PETER ULRICH WEISS
Weitere Termine der Ringvorlesung:
11.12.2019
JAN C. BEHRENDS (Potsdam)
Der stille Putsch: Konturen der russischen Gegenrevolution seit den 1990er Jahren
Ort: Bundesstiftung Aufarbeitung
18.12.2019
ANDRÉ STEINER / ALEXANDER NÜTZENADEL / ANDREAS ECKERT (Potsdam / Berlin / Berlin)
Von der bipolaren zur globalisierten Welt: Das Ende des Staatssozialismus und die »neue Unübersichtlichkeit« internationaler Ökonomie
Ort: Stiftung Berliner Mauer
08.01.2020
JENS GIESEKE (Potsdam)
Die ostdeutsche Volksmeinung: Wie demokratisch war die DDR-Bevölkerung?
Ort: Humboldt-Universität
15.01.2020
DOROTHEE WIERLING / ANNETTE LEO (Hamburg / Berlin)
Familienumbrüche: Die »lange Wende« als Generationenkonflikt
Ort: Bundesstiftung Aufarbeitung
22.01.2020
MANDY TRÖGER / PETER ULRICH WEISS (München / Potsdam)
Mediales Erbe: Das Nachleben der DDR in Presse und Fernsehen
Ort: Stiftung Berliner Mauer
29.01.2020
PETER BRANDT (Hagen)
Sozialismus am Ende? Metamorphosen der deutschen Linken nach 1989
Ort: Humboldt-Universität
05.02.2020
NENAD STEFANOV (Berlin)
Zwischen Ethnos und Demos: Territorialität, kulturelle Grenzen und politische Zugehörigkeit in Ostmittel- und Südosteuropa seit 1989
Ort: Bundesstiftung Aufarbeitung
12.02.2020
ANNA KAMINSKY / CHRISTINA MORINA / GERHARD SÄLTER (Berlin / Jena / Berlin)
Aufarbeitung und Wissenschaft zwischen Kooperation und Konflikt
Ort: Stiftung Berliner Mauer
Humboldt-Universität zu Berlin
Hausvogteiplatz 5–7
Saal 007
10117 Berlin
Der Eintritt zu allen Vortragsterminen der Reihe ist frei.
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Veranstaltungen werden in Ton und Bild dokumentiert und u.U. veröffentlicht.