Das Ende der Zuversicht? Die Strukturkrise der 70er Jahre als zeithistorische Zäsur

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Art der Veranstaltung
Konferenz
Datum
-
Ort
Berlin und Potsdam

1) Mehr und mehr neigen Historiker dazu, das Datum des Ölpreisschocks von 1973/74 als Zäsur für die Entwicklung der hochindustriellen Länder zu betrachten. Zu diesem Zeitpunkt setzte eine Strukturveränderung ein, die eine neue Problematik ankündigte und den Kalten Krieg überlagerte – die dritte Industrielle Revolution, an der der Ostblock zerbrach, die aber der Westen mit durchwachsenem Erfolg gemeistert hat. Daher begann die „neueste Zeitgeschichte“ nicht erst mit dem Kollaps des Kommunismus, sondern schon anderthalb Jahrzehnte vorher mit dem sozio-ökonomischen sowie populärkulturellen Strukturwandel.

2) Ein zentrales Problem der Annäherung an diese Frage ist allerdings die Unsicherheit der wissenschaftlichen Bezeichnung. So konkurrieren Etikette wie etwa Daniel Bells „postindustrielles Zeitalter“, Jean-Francois Lyotards „Postmoderne“ und Ronald Ingleharts „Wertewandel“ miteinander, von späteren Begriffsbildungen wie Ulrich Becks „Risikogesellschaft“ ganz zu schweigen. Diese Vielfalt der Begriffsbildungen deutet auf den widersprüchlichen Charakter einer Übergangsepoche hin, der zwischen einem verbreiteten Krisengefühl und neuen Aufbrüchen schwankte.

3) Um die weit verbreitete Wahrnehmung einer Strukturkrise auszuloten, ist ein mehrdimensionaler Vermessungsversuch notwendig. Folgende Fragen stehen dabei im Mittelpunkt:
Erstens: Welche wirtschaftlichen Veränderungen fanden in den siebziger Jahren statt? (regionale Entindustrialisierung, Entstehung neuer IT-Industrien etc.)
Zweitens: Was waren die sozialen Konsequenzen dieser Entwicklungen, die letztlich zur Überdehnung des Sozialstaats führten? (Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft, Einsetzen von Sockelarbeitslosigkeit etc.)
Drittens: Welche Aufbrüche fanden im Alltagsleben statt, die zu einer Pluralisierung der Lebensentwürfe führten? (neue soziale Bewegungen, Medialisierung, Migration etc.)
Viertens: Wie versuchten Politiker diese nicht mehr planbaren Entwicklungen zu steuern, die ein sozialliberale Krisenmanagement, eine konservative Wende und Renaissance des Neoliberalismus in der Bundesrepublik sowie eine realsozialistische Problemverweigerung in der DDR hervorriefen?

4) Schließlich sind auch die langfristigen Auswirkungen der Strukturkrise bis in die Gegenwart zu diskutieren. In Bezug auf den Realsozialismus geht es dabei um die strukturellen Ursachen seines Niedergangs; bei der sozialen Marktwirtschaft um die sukzessiven Stabilisierungsversuche durch kleine Systemkorrekturen, die zwar bis 1990 noch Erfolg hatten, sich aber dann in der Doppelung von Vereinigungs- und Globalisierungskrise als unzureichend erwiesen. Dabei ist es wichtig, die deutschen Reformblockaden durch kontrastierende Beispiele anderer europäischer Länder zu hinterfragen, um potentielle Lösungswege durch erfolgreichere Antworten aufzuzeigen. Welche Veränderungen sind für die Wettbewerbsfähigkeit in der Globalisierung notwendig und welchen Aufrufen zum Sozialabbau ist zu widerstehen?

Tagungsprogramm (PDF)

Veranstaltungsort

Wissenschaftszentrum Berlin, Reichpietschufer 50, D-10785 Berlin, Saal A 300

Haus der Brandenburgisch Preußischen Geschichte, Am Neuen Markt 8, D-14467 Potsdam, Konferenzsaal

Kontakt und Anmeldung

Fax: 0331/ 28991-40 oder schneider [at] zzf-pdm [dot] de