Die Deutsch-Israelische Stiftung für Wissenschaftliche Forschung und Entwicklung (GIF) fördert mit einem Stipendium in Höhe von insgesamt rund 280.000 Euro ein Kooperationsprojekt des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) mit Partnern aus Israel. Das Kooperationsprojekt zur Erinnerung an „die Juden“ im spät- und postkommunistischen Polen, der Ukraine und Litauen im Zeitraum 1980 bis 2020 soll im kommenden Jahr beginnen. Geleitet wird es von den Antragsstellern Jan C. Behrends, Projektleiter und Osteuropa-Experte am ZZF sowie Professor an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), und Professor Scott Ury von der Tel Aviv University.
„Die Förderung durch die GIF erlaubt es uns, die seit langem bestehende enge Kooperation mit Tel Aviv und Jerusalem weiter zu verstetigen. Im Rahmen des Projektes wird es einen intensiven Austausch in Form von Workshops und Fellowships geben. Das Besondere an dem Projekt ist die Einbeziehung von Ostmitteleuropa in ein bilaterales israelisch-deutsches Projekt“, erläutert Jan C. Behrends.
Das gemeinsame deutsch-israelische Projekt wird die öffentlichen Debatten über die Erinnerung und das Bild „der Juden“ in Polen, Litauen und der Ukraine untersuchen. Es fragt danach, welche Rolle die Diskussionen in dieser Region im kollektiven Gedächtnis und in den historischen Debatten in den verschiedenen Perioden spielten: im Spätkommunismus (1980-1989), Postkommunismus (1989-2004) und dem populistischen Nationalismus (2004-2020).
„Trotz ihrer langen Präsenz in der Region wurde gegen Juden in den ostmitteleuropäischen Gesellschaften im Spätkommunismus der Jahre 1980 bis 1989 die antijüdische Politik fortgesetzt. Oft unter dem Deckmantel des ‚Antizionismus‘ oder des ‚Antikosmopolitismus‘“, erläutert Jan C. Behrends. Als Teil dieser diskriminierenden Politik wurde die Erinnerung an den Holocaust aus dem kollektiven Gedächtnis des Krieges entfernt. Denn er ließ keinen Platz für jüdische Opfer und Leiden.
In der Zeit des Postkommunismus der Jahre 1989 bis 2004 wurden die öffentlichen Debatten über „die Juden“ und ihre Ermordung als Teil eines größeren Prozesse der Demokratisierung, der historischen Aufarbeitung und der postkommunistischen Nationenbildung gesehen – aber auch als Verbindung dieser Prozesse mit der raschen Erweiterung der EU in der Region.
Der Aufstieg des populistischen Nationalismus und Russlands Krieg gegen die Ukraine seit dem Jahr 2014 markieren die dritte Periode in dieser Geschichte der Erinnerung an „die Juden“ in der Region. Auch in diesem Zeitraum kam es zu tiefgreifenden Veränderungen in der Erinnerung an „die Juden“ und intensive historische Debatten, die so genannten Erinnerungskriege.
Über die Deutsch-Israelische Stiftung für Wissenschaftliche Forschung und Entwicklung (GIF)
Im Jahre 1986 gründete sich die Stiftung durch eine Vereinbarung zwischen den Wissenschaftsministern der Bundesrepublik Deutschland und des Staates Israel. Ihr Ziel ist es, grundlegende und angewandte wissenschaftlicher Forschung zu friedlichen Zwecken zu fördern und zu finanzieren. Die GIF-Programme unterstützen gemeinschaftliche Forschungsprojekte aus beiden Ländern sowie einzelne deutsche und israelische Nachwuchswissenschaftler*innen. Etwa 4.000 Wissenschaftler*innen hat die GIF nach eigenen Angaben bisher gefördert.