Zugehörigkeit und Ungleichheit in der globalen Migration des 19. und 20. Jahrhunderts

Coverbild

Bildinfo

Credit: Humberto Chavez via Unsplash

Art der Veranstaltung
Tagung
Datum
-

Veranstalter:
Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte 
Organisation: Frank Bösch & Ulrike von Hirschhausen in Verbindung mit Isabella Löhr


Zum Ansatz der Tagung

Die Beiträge der Tagung werden sich um vier Themen gruppieren, welche die gegenwärtige Forschung zur globalen Migration fokussiert. 

Kategorisierungen der Migration: 
Empires wie Nationalstaaten suchten Migration durch Zuordnung und (Un-)Rechtsstatus zu regulieren. Migranten kamen als Eroberer, Siedler, Händler, Sklaven, Schuldknechte, Staatsbürger, Fremde, Studierende oder „Gastarbeiter“ und arbeiteten unter Bedingungen erheblicher Ungleichheit und wechselnder Legitimität. Sogar die USA als ‚klassisches‘ Modell einer Einwanderungsgesellschaft verwendete spezifische Kategorien zur Unterscheidung und Abwehr von Migranten. Welche Wirkung übten die staatlichen Kategorien, Rechte und Zuschreibungen vor Ort aus und welche Faktoren trugen dazu bei, sie zu „überschreiben“ oder zu verändern? 

Migration zwischen Mobilität und Immobilität: 
Die Migrationsforschung, ob europäisch oder global orientiert, hat sich von der Assoziation traditioneller Gesellschaften mit Immobilität und moderner Gesellschaften mit Mobilität weitgehend gelöst. Zu deutlich wurde, dass Mobilität und Immobilität immer miteinander verknüpft sind und der ungleiche Zugang zu Migration sowie ungleiche Maßnahmen zu ihrer Verhinderung sich seit dem späten 19. Jahrhundert überschnitten und verstärkten. Gerade in der Sowjetunion wurden permanente Zwangsdeportationen ethnischer und sozialer Gruppen, die dann dauerhaft an neue Orte gebunden wurden, ein dauerndes Mittel der Herrschaftsstabilisierung. Wie beispielsweise auf forcierte Mobilität sehr häufig eine erzwungene Immobilität folgte, wäre ein Thema, das vom Vergleich profitieren würde. 

Zwischen unfreier und freier Migration: 
Gerade der globale Blick auf Migration führt dazu, vormalige Dichotomien zwischen „freier“ und „unfreier“ Migration neu zu überdenken. Alle Migranten waren mit einer Fülle sozioökonomischer und geopolitischer Gegebenheiten konfrontiert, welche die konkrete Lage oft zwischen diesen Polen oszillieren ließ. Dies galt nicht nur für die Migration aus den Diktaturen vor 1945 und den sozialistischen Regimen danach. Auch „Gastarbeiter“, die etwa in den 1960er Jahren aus den Diktaturen in Spanien oder Griechenland in nördliche Demokratien kamen, hatten vielfältige Motive der Migration. Diese an empirischen Beispielen aufzuzeigen und die Spannung dazwischen zu erklären, könnte dazu beitragen, die vormaligen Dichotomien weiter zu differenzieren.

Migration und Partizipation: 
Die ungleichen Bedingungen von Migration beeinflussten auch die Möglichkeiten der Partizipation, zumal zeitgenössische Kategorien oft freie Migration mit „weißen“ Zuwanderern sowie ökomische oder politische Zwangsmigration mit als nicht-weiß markierten oder indigenen Gruppen gleichsetzten. Auch die Vorstellung, primär freiwillige Migration ermögliche Partizipation, greift zu kurz. In Südafrika gelang es indischen Einwanderern, die als Schuldknechte dorthin gekommen waren, vor und nach dem Ersten Weltkrieg ihre prekäre rechtliche Lage unter der britischen Kolonialherrschaft durch politischen und wirtschaftlichen Druck zu verändern und ihr Selbstbild als ethnische Diaspora zu stärken. In der Bundesrepublik Deutschland wurde beispielsweise gezielt Ausländern politisches Engagement gesetzlich untersagt, wenn es etwa die Beziehungen zu deren Herkunftsländern störe. Wie sich das Verhältnis von Migration und Partizipation gerade im Zuge der Dekolonisierung seit den 1960er Jahren veränderte und neu ausrichtete, wäre ein weiterer willkommener Beitrag zu unserer Tagung. 

Programm 

Donnerstag, 23. Mai 2024 

15.30 Uhr Begrüßung 

15.45-17.15 Migration und Geschlecht 
Prof. Dr. Levke Harders (Universität Insbruck), Migration, Intersektionalität und Geschlecht 
Prof. Dr. Ulrike von Hirschhausen (Universität Rostock), Global vernetzt, lokal isoliert? Internationaler Feminismus, Mission und Migration bei Pandita Ramabai (1858-1922) 
Moderation: Prof. Dr. Sebastian Conrad (FU Berlin) 

17.45-19.15 Wissen und Zugehörigkeit 
PD. Dr. Kijan Espahangizi (Universität Zürich): Migration in der „Weltgesellschaft“. Die Globalisierung des Blicks auf Bevölkerungsbewegungen, 1960er-1990er Jahre 
PD Dr. Stephanie Zloch (TU Dresden), Vom Minderheitenschutz zur gelebten Demokratie? Migration und das Wissen um Partizipation im Europa des 20. Jahrhunderts 
Moderation: Prof. Dr. Christoph Conrad (Genf) 

Freitag, 24. Mai 2024 

9.15-10.15 Transatlantische Migration 
Prof. Dr. Michael Goebel (FU Berlin): Europäische Auswanderung und atlantische Ungleichheit im 19. Jahrhundert 
Moderation: Prof. Dr. Teresa Koloma Beck (Hamburg) 

10.45-12.15 Migration und Partizipation in Europa 
Prof. Dr. Frank Bösch (ZZF/Universität Potsdam), Migration und politische Partizipation in der Bundesrepublik 
Prof. Dr. Isabella Löhr (ZZF/FU Berlin): Migration und Demokratisierung in Westeuropa 
Moderation: Prof. Dr. Stefan Berger (Bochum) 

12:30 gemeinsames Mittagessen

13.15-14.15 Migration aus Osteuropa Prof. Dr. Jannis Panagiotidis (Universität Wien), Antiosteuropäischer Rassismus in Deutschland und die Grenzen des europäischen Freizügigkeitsregimes 
Moderation: Prof. Dr. Malte Rolf (Oldenburg) 

14.15-14.45 Abschlussdiskussion 
Moderation: Prof. Dr. Friedrich Lenger (Gießen) 

15.00-16.00 Interne Sitzung des Arbeitskreises

Veranstaltungsort

ZZF Potsdam 
Am Neuen Markt 1 
11467 Potsdam 

Kontakt und Anmeldung

ZZF-Sekretariat
Email: sekretariat [at] zzf-potsdam [dot] de (sekretariat[at]zzf-potsdam[dot]de)