Zeit: 18 bis 20 Uhr
Seit 2005, der ersten Regierung der polnischen Partei PiS, kam es in Ostmitteleuropa insgesamt zum Aufstieg populistischer Parteien, die meist als nationalpopulistisch bezeichnet werden. Sie sind aber mehr als das: Jede dieser Parteien profitierte von der Vernachlässigung der sozialen Interessen breiter Bevölkerungsgruppen durch die politischen Klassen jener Länder. Ihr Sieg ist insofern auch Ausdruck eines breiten Protestes gegen die bisherige Regierungspolitik liberaler und sozialdemokratischer Parteien. Die Entwicklung in Ostmitteleuropa beeinflusst auch die Staaten des westlichen Europa: Einerseits durch die Europäische Union, in der die vier Visegrádstaaten in der letzten Zeit einige Initiativen der Mehrheit der Mitgliedsstaaten blockiert haben. Andererseits dadurch, dass die Niederlage des Staatssozialismus Ende der 1980er Jahre auch die Parteien der europäischen Linken geschwächt hat. Schließlich durch die in Ostmitteleuropa entstandenen radikalen neoliberalen Kapitalismus, der auch seine Wirkungen auf die anderen europäischen Gesellschaften ausübt. Im Vortrag wird das gesellschaftliche Bedingungsgefüge des Aufstiegs der Populisten in Ostmitteleuropa analysiert. Welchen Anteil hat daran die politische Kultur dieser Gesellschaften? Was ist historische Hinterlassenschaft des „Ancien regime“, des osteuropäischen Staatssozialismus? Und welche Impulse bekam dieser politische Wandel durch die Erfahrungen der postsozialistischen Transformation?
Zur Ringvorlesung:
Vor 30 Jahren wurden die kommunistischen Diktaturen in Mittel- und Osteuropa überwunden. Seitdem steht die Chiffre »1989« für das Wunder der friedlichen Revolution und das Versprechen demokratischer Freiheiten. Tatsächlich hat der revolutionäre Aufbruch zwar umfassende politische und gesellschaftliche Umwälzungen bewirkt. Doch langfristig wurden damit in den Ländern des ehemaligen »Ostblocks« auch Entwicklungen an-gestoßen und Bewegungen mobilisiert, die die Werte und er-kämpften Rechte von damals heute wieder in Frage stellen. Dabei schrecken ihre Vertreter nicht davor zurück, für ihre An-liegen auch mit einstigem Revolutions-Vokabular zu werben.Das Jubiläum bietet die Chance einer doppelten Neuvermes-sung. Die Ringvorlesung diskutiert erstens »1989« als Teil einer »langen Wende« von der geteilten Welt zum geeinten Europa und zweitens als Referenzpunkt gesellschaftlicher Krisenentwicklungen der Gegenwart. Damit eröffnet die Vortragsreihe neue Perspektiven auf das »Erbe von 1989« und eine Standortbestimmung sowohl der Berliner Republik als auch des heutigen Europas.
Veranstalter der Ringvorlesung "1989 - (k)eine Zäsur?":
Lehrstuhl für Neueste und Zeitgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin
Stiftung Berliner Mauer
Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
In Kooperation mit:
Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Konzeption der Ringvorlesung:
MARTIN SABROW
GERHARD SÄLTER
TILMANN SIEBENEICHNER
PETER ULRICH WEISS
Weitere Termine der Ringvorlesung:
20.11.2019
DETLEF POLLACK (Münster)
Renaissance des Religiösen? Der (Wieder-)Aufstieg der Kirchen in Mittel- und Osteuropa
Ort: Bundesstiftung Aufarbeitung
27.11.2019
KERSTIN BRÜCKWEH / ANJA SCHRÖTER (Erfurt / Berlin)
Recht und Gerechtigkeit: Scheidungskulturen und Eigentumsverhältnisse im Umbruch
Ort: Stiftung Berliner Mauer
04.12.2019
HANNES GRANDITS (Berlin)
Institutionelle (Reform)-Blockaden und der Zerfall der jugoslawischen Staatsidee: Die Jahre vor und nach 1989
Ort: Humboldt-Universität
11.12.2019
JAN C. BEHRENDS (Potsdam)
Der stille Putsch: Konturen der russischen Gegenrevolution seit den 1990er Jahren
Ort: Bundesstiftung Aufarbeitung
18.12.2019
ANDRÉ STEINER / ALEXANDER NÜTZENADEL / ANDREAS ECKERT (Potsdam / Berlin / Berlin)
Von der bipolaren zur globalisierten Welt: Das Ende des Staatssozialismus und die »neue Unübersichtlichkeit« internationaler Ökonomie
Ort: Stiftung Berliner Mauer
08.01.2020
JENS GIESEKE (Potsdam)
Die ostdeutsche Volksmeinung: Wie demokratisch war die DDR-Bevölkerung?
Ort: Humboldt-Universität
15.01.2020
DOROTHEE WIERLING / ANNETTE LEO (Hamburg / Berlin)
Familienumbrüche: Die »lange Wende« als Generationenkonflikt
Ort: Bundesstiftung Aufarbeitung
22.01.2020
MANDY TRÖGER / PETER ULRICH WEISS (München / Potsdam)
Mediales Erbe: Das Nachleben der DDR in Presse und Fernsehen
Ort: Stiftung Berliner Mauer
29.01.2020
PETER BRANDT (Hagen)
Sozialismus am Ende? Metamorphosen der deutschen Linken nach 1989
Ort: Humboldt-Universität
05.02.2020
NENAD STEFANOV (Berlin)
Zwischen Ethnos und Demos: Territorialität, kulturelle Grenzen und politische Zugehörigkeit in Ostmittel- und Südosteuropa seit 1989
Ort: Bundesstiftung Aufarbeitung
12.02.2020
ANNA KAMINSKY / CHRISTINA MORINA / GERHARD SÄLTER (Berlin / Jena / Berlin)
Aufarbeitung und Wissenschaft zwischen Kooperation und Konflikt
Ort: Stiftung Berliner Mauer
Humboldt-Universität zu Berlin
Hausvogteiplatz 5–7
Saal 007
10117 Berlin
Der Eintritt zu allen Vortragsterminen der Reihe ist frei.
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Veranstaltungen werden in Ton und Bild dokumentiert und u.U. veröffentlicht.