Migration hat die deutsche Gesellschaft tiefgreifend verändert. Wenig Beachtung als politische Akteurinnen fanden bislang Frauen, die seit den 1960er Jahren auch aus der Türkei zur Arbeit nach Westdeutschland kamen. Dabei waren Migrantinnen oft treibende Kräfte sozialen und politischen Wandels. Ob Vereinbarkeit von Lohnarbeit und Familie, kommunales Wahlrecht oder eigenständiges Aufenthaltsrecht: Migrantinnen brachten Themen auf die politische Agenda, die geltende Konzepte von Arbeit, Geschlecht und Staatsbürgerschaft in Frage stellten.
Elisabeth Kimmerle untersucht am Beispiel von West-Berlin, wie Migrantinnen aus der Türkei für ihre Rechte kämpften. Entlang sozialer Räume wie der Fabrik, dem Frauenwohnheim, der Straße und Frauenläden zeichnet sie den Wandel migrantischer Selbstorganisation zwischen 1961 und 1989 aus transnationaler und geschlechtergeschichtlicher Perspektive nach. Anhand zahlreicher Archivquellen und Interviews mit Zeitzeuginnen werden deren Erfahrungen und politische Räume jenseits von Parteien und Gewerkschaften sichtbar. Diese intersektionale Perspektive auf Migration und Geschlecht bietet neue Einblicke in die Geschichte migrantischer Kämpfe und zeigt, wie das »Private« in der Einwanderungsgesellschaft zum Politischen wurde.
Elisabeth Kimmerle ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung III (Zeitgeschichte der Medien- und Informationsgesellschaft) am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung und ist Teil des Leibniz-Verbundprojektes "The Historicity of Democracy in the Muslim and Arabic Worlds". In diesem Rahmen promovierte sie am 18. Dezember 2024 "summa cum laude" mit einer Arbeit zu Migrantinnen in der westdeutschen Frauenbewegung.
Ihre Dissertation erscheint am 17. September 2025 im Wallstein Verlag in der Reihe "Geschichte der Gegenwart" und kann über die Verlagsseite vorgestellt werden.