Abgeschlossenes assoziiertes Dissertationsprojekt
Welche Rolle spielten Geschlecht und Sexualität in der alltäglichen Interaktion in Betrieben eines Staates, der die Gleichberechtigung von Frauen und Männern propagierte? Vorfälle wie geschlechterbezogene Beleidigungen, Benach- oder Bevorteilungen sowie sexualisierte Gewalt gehörten zum Alltag in vielen Lebensbereichen der DDR, so die These des Dissertationsprojektes. Obwohl eine formale Gleichberechtigung und dahingehende Maßnahmen positive Folgen für das Selbstbild und die allgemeine Anerkennung von Frauen hatten, blieben einige Bereiche des Alltags- und Arbeitslebens, zum Beispiel die Reproduktions- und Carearbeit, von traditionellen Geschlechtervorstellungen geprägt und daher weitgehend „Frauensache“. Das Promotionsvorhaben untersuchte konkrete soziale Interaktionen zwischen Frauen und Männern, arbeitete heraus welches Verhalten in der Gesellschaft der DDR als unangemessen betrachtet wurde und welches nicht, wie Herrschaftsstrukturen durch Geschlecht und Sexualität konstruiert wurden und hinterfragte, ob und wie die offiziell propagierte Idee der Gleichberechtigung Niederschlag im alltäglichen Miteinander fand.
Für eine Analyse von Geschlechterverhältnissen wurde der Betriebsalltag als Untersuchungsfeld gewählt, da der Betrieb einen, wenn nicht den zentralen Vergesellschaftungsort im Leben der DDR-Bürger*innen darstellte. Im Betrieb wurde daher nicht nur Lohnarbeit, sondern ebenso Reproduktions- und Beziehungsarbeit geleistet. Es wurden mikrohistorische Tiefenbohrungen in drei verschiedenen industriellen Betrieben vorgenommen und Interviews mit ehemaligen Werktätigen geführt.
Henrike Voigtländer hat am 8. November 2022 ihre Dissertationsschrift „Geschlecht, Sexualität und Herrschaft in DDR-Industriebetrieben von 1965 bis 1989“ an der Technischen Universität Dresden erfolgreich verteidigt.