Abgeschlossenes Dissertationsprojekt
Das Projekt untersuchte deutsch-jüdische Lebens- und Erfahrungswelten am Übergang von der Weimarer Republik in die nationalsozialistische Diktatur durch die Linse privater Fotografien. Im Zentrum stand erstens die Frage, welche Bedeutungen die Bilder innerhalb deutsch-jüdischer Biografien und Gemeinschaften tragen und vermitteln konnten. Zweitens, und eng hiermit verwandt, wurden die Fotografien selbst als Fixpunkte der Formulierung jüdischer Identitäten betrachtet. Drittens wurde danach gefragt, inwiefern sich private Fotografien – Urlaubsbilder und Familienportraits, Aufnahmen vom Arbeitsplatzes, der eigenen Wohnung oder auch des öffentlichen Raumes – auch als politische Akte, etwa der Aneignung restriktiver Räume, deuten lassen. Schließlich wurde über das unmittelbare Knipsen und den Gebrauch der Bilder auch ihre Verwahrung und Erinnerung in den Blick genommen.
Die Arbeit wurde dabei von einer Perspektive geleitet, die die untersuchten Bilder als mehr denn bloße Illustrationen versteht. Stattdessen wurde das Fotografien selbst als Praxis untersucht, über die Wahrnehmungen und Sinnzuschreibungen geformt und geschaffen werden können. Die Aufnahmen wurden also nicht einfach als Spiegel einer vermeintlichen Wirklichkeit gelesen, die auf ihnen ausschnitthaft zu sehen ist, sondern als Produzenten eben dessen.
Das Projekt rückte mit der privaten Fotografie ein Medium in den Fokus, das ab Mitte der 1920er Jahre eine immense Popularität und Verbreitung erfuhr, gleichwohl aber in den Betrachtungen zur deutsch-jüdischen Geschichte der Zeit bislang weitestgehend außer Acht gelassen worden ist. Die Arbeit möchte daher eine weithin übersehene Quellengattung systematisch erschließen und hierüber eine neuartige Perspektive auf die deutsch-jüdische Geschichte inmitten einer existenziellen Krisen- und Umbruchszeit eröffnen.