Der ZZF-Jahresbericht 2022

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Der ZZF-Jahresbericht 2022 ist erschienen und ganz dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, dessen Kontext und Konsequenzen gewidmet. Erfahren Sie auf 168 Seiten mehr über neue Publikationen und Forschungsprojekte, zum Beispiel zur »Perestroika from Below«. Lesen Sie über die »Zeitenwende« und deren Bedeutung für die Geschichtswissenschaften, über unsere Forschungen zur Energiesicherheit und zu politischen Reaktionen auf Inflationen oder zum Verhältnis von Sport und Politik. Zudem berichten wir über unsere vielfältigen Aktivitäten zur Wissenschaftskommunikation: zum Beispiel gingen 14 neue Folgen des ZZF Podcast an den Start.

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Die Fotos zwischen den einzelnen Kapiteln des Berichts zeigen das Leben in der Ukraine während Russlands brutalem Angriffskrieg. Wir bedanken uns bei unseren Kolleginnen und Kollegen vom Center for Urban History in Lwiw, die uns die Bilder zur Verfügung gestellt haben. Sie entstammen einem umfangreichen Dokumentations­projekt, das festhält, wie Menschen überall im Land den Krieg erleben.

 


Liebe Freundinnen und Freunde des ZZF,

der russische Angriffskrieg hat die Welt erschüttert und auch die deutsche Gesellschaft herausgefordert. Das gilt auch und besonders für die Zeitgeschichtsforschung. Das Leibniz-­Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, das seinen Schwerpunkt in der ost­- und westeuropäischen Geschichte seit dem Beginn des Kalten Kriegs hat, setzte sich vielfältig mit der neuen Situation auseinander. Unsere Expert*innen zur osteuropäischen Geschichte beteiligten sich mit zahlreichen Medienbeiträgen daran, den Krieg in der Ukraine historisch einzuordnen. Ebenso besuchten sie über 60 Schulen in Berlin und Brandenburg, um die Kriegs­situation für Schüler*innen und Lehrer*innen aufzubereiten. Auf unseren Internet-­Portalen zeitgeschichte | online und Visual History erschienen umfangreiche Themendossiers zum Krieg in der Ukraine. Zudem nahmen wir am ZZF zahl­reiche Wissenschaftler*innen auf, die durch den Krieg auch ihre akademische Heimat verloren haben.

Der Angriffskrieg auf die Ukraine fordert auch unsere wissenschaftliche Bewertung des sowjetischen Umbruchs von 1989 bis 1991 heraus. Drängender als bereits zuvor stellt sich die Frage, wieso die Perestroika eigentlich lang­fristig scheiterte. Diese und viele weitere Forschungsfragen behandelt nun das neue Forschungsprojekt »Perestroika from Below« unter Leitung von Juliane Fürst, welches über einen Advanced Grant des European Research Council (ERC) eingeworben wurde und Ende 2022 seine Arbeit am ZZF aufnahm.

Das Projekt steht im Kontext einer ganzen Reihe von jün­geren Forschungen am ZZF, die die jüngste Zeitgeschichte in den Blick nehmen. Aus dem Projekt »Die lange Ge­ schichte der ›Wende‹« erschien im vergangenen Jahr etwa Clemens Villingers Studie »Vom ungerechten Plan zum gerechten Markt?«, die den Systemwechsel anhand von Konsum analysiert. Weitere transformationshistori­sche Projekte am ZZF erforschten etwa den medialen Wandel in Ostdeutschland, den Wandel der Arbeitswelt in Ost und West und die Hinterlassenschaften des Kommu­nismus in Ost(mittel)europa. Zur deutsch­-deutschen Ge­schichte entstanden neue Monografien, etwa von Christopher Neumaier zu Frauen im geteilten Deutschland und von Henning Türk zur Energiegeschichte der beiden deut­schen Staaten.

Die spätestens seit Beginn der russischen Invasion viel diskutierte Frage der Energieversorgung bildet schon län­ger einen Schwerpunkt der Forschung am ZZF. Darüber hinaus konnten weitere neue größere Projekte eingeworben werden, die große Fragen der Gegenwart behandeln. Unter der Leitung von Michael Homberg erhielt etwa ein Leibniz-­Projekt den Zuschlag, das die neue soziale Un­gleichheit im Rahmen der Digitalisierung untersucht. Viel Beachtung fand auch der Start eines Verbundprojektes zu den Grundbegriffen des 20. Jahrhunderts, das am ZZF Rüdiger Graf betreut.

Das ZZF hat viele neue Formate erprobt, um historisches Wissen zu vermitteln. Hierzu gehört der neue ZZF ­Pod­cast, der 2022 an den Start ging und in nunmehr über 20 Episoden Forschende und Forschungsergebnisse des Instituts vorstellt. Das neue Portal »Die DDR im Schmal­film« präsentiert zahlreiche Artikel zu dieser bislang we­nig genutzten Quelle, die mit dem Schmalfilmarchiv der »Open Memory Box« direkt verlinkt ist. Ebenso beteiligte sich das ZZF am Aufbau des 2022 gestarteten Portals »Die DDR im Film«, das fundierte Informationen zu Spiel­filmen mit DDR­-Schwerpunkt bietet. Am ZZF erstellt wurde zudem der Audiowalk »Echt Authentisch?« zur historischen Authentizität von Gebäuden in Potsdam. Er wurde im Rah­men des neuen Leibniz­-Forschungsverbunds zum »Wert der Vergangenheit« erarbeitet und beleuchtet unter an­derem die vielfältige Geschichte des Kabinetthauses in Potsdam, in dem das ZZF seinen Sitz hat. Der neue Ver­bund knüpft an den Leibniz­-Forschungsverbund »Histo­rische Authentizität« an, der 2022 seine zentralen Ergeb­nisse in einem gleichnamigen Handbuch veröffentlicht hat.

Der vorliegende Jahresbericht dokumentiert die vielfältigen Tätigkeiten des ZZF im Bereich der Forschung, der For­schungsinfrastrukturen und des Wissenstransfers in die Gesellschaft. Wir wünschen eine interessante Lektüre.

Frank Bösch | Direktor des ZZF