Vortrag von Martin Meiske: Der Aufstieg von Kreosot und sein toxisches Erbe. Umwelt- und Stoffwissen in der Infrastrukturwartung und Konflikte um ihre materiellen Altlasten

Luftaufnahme eines Waldes und eines Gewässers. Das Bild ist diagonal aufgeteilt, die obere linke Hälfte wird vom Wald eingenommen, der andere Teil vom Gewässer.

Bildinfo

Fotocredit: Andreas Gucklhorn via Unsplash

Art der Veranstaltung
Kolloquium
Datum
-
Ort
Online

Dritte Veranstaltung des Berlin-Brandenburger Colloquiums für Umweltgeschichte (BBC)  Wintersemester 2024/25.

Online via Zoom von 18 bis 20Uhr.

Zum Vortrag

Martin Meiske (München): 
Der Aufstieg von Kreosot und sein toxisches Erbe. Umwelt- und Stoffwissen in der Infrastrukturwartung und Konflikte um ihre materiellen Altlasten

Wartung und Reparatur gehören zu den prägenden Formen, in denen Menschen mit Technik interagieren, und dennoch weist ihre Historiographie immer noch deutliche Lücken auf. Mit Hilfe der Stoffgeschichte lassen sich historische Wartungspraktiken sichtbar machen, die oft mit prekären Arbeitsbedingungen und toxischen Werkstoffen einhergingen. Ihre Spuren führen bis in aktuelle Diskussionen um Altlasten und Umweltgerechtigkeit. In meinem Forschungsprojekt folge ich dem Steinkohlenteeröl Kreosot, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen rasanten Aufstieg vom ungenutzten Reststoff der Kohle-Verkokung und Leuchtgasproduktion zum begehrten Holz-Imprägniermittel, vor allem für Eisenbahnschwellen, durchlebte. Im Sinne jüngerer Forschung zur Stoffgeschichte (Haumann et al. 2023) und Residual Materialism (Boudia et
al., 2022) folge ich Kreosot in einer longue-durée Perspektive durch verschiedene historische Kontexte bis ins 21. Jahrhundert. Der Vortrag vertieft zwei Aspekte dieses Projektes: In einem ersten Teil möchte ich danach fragen,
welche Wissensbestände entscheidend für Wartungsakteure wie Bahnmeister, Streckenläufer und andere Arbeiter:innen des Bahnunterhaltungsdienstes waren. Welche Rolle spielten Umwelt- und Stoffwissen in der Wartungspraxis technischer Infrastrukturen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland? Welche Materialitäten und Temporalitäten mussten im Sinne der Bahnsicherheit in Einklang miteinander gebracht werden? Doch das im Rahmen der Imprägnierung mobilisierte Kreosot fand nicht immer seinen Weg in die hölzernen Schwellen. Vielmehr zeigte sich in den 1990er Jahren, als zunehmend Boden- und Grundwasser-Untersuchungen an Standorten alter Imprägnieranstalten durchgeführt wurden, dass diese nahezu ausnahmslos zu Altlasten geworden waren. In den folgenden Jahren entstanden in Deutschland eine Reihe von Bürgerinitiativen, die sich für die umfassende Sanierung dieses toxischen Erbes infrastruktureller Wartungsregime einsetzten. Der zweite Teil zeichnet exemplarisch einige dieser gesellschaftlichen Konflikte nach.
 

Kurzbiographie:
Martin Meiske ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut des Deutschen Museums in München und Lehrbeauftragter am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Er studierte Geschichte und Germanistik in Potsdam, Bern und Zürich und wurde in München am Rachel Carson Center for Environment and Society und der LMU promoviert. Forschungsaufenthalte führten ihn an das CIF in Buenos Aires, das GHI Washington, D.C. und das GHI London. Sein Habilitationsprojekt trägt den Titel „Kulturen und Kosten der Wartung. Der Aufstieg von Kreosot und sein prekäres Erbe“.

Veranstaltungsort

Online auf Zoom

Meeting-ID: 655 5879 6751
Passwort: 264162

Kontakt und Anmeldung

Astrid M. Kirchhof
astrid [dot] m [dot] kirchhof [at] hu-berlin [dot] de (astrid[dot]m[dot]kirchhof[at]hu-berlin[dot]de)

Jan-Henrik Meyer 
meyer [at] zzf-potsdam [dot] de 

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