Entgrenzung, Pluralisierung und Identitätsbestimmung. Herausforderungen der Zeitgeschichte in der Welt der Sozialwissenschaften

Bildinfo

Art der Veranstaltung
Tagung
Datum
-
Ort
Potsdam

Die Tagung wird unterstützt von der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung.


Seit dem Beginn der wissenschaftlichen Institutionalisierung der Zeitgeschichte haben Periodisierungsfragen, Anerkennungsbemühungen innerhalb der eigenen wie Abgrenzungen zu anderen Disziplinen sowie die Bestimmung der methodischen Identität das Fach periodisch beschäftigt. Die grundsätzliche Frage, was Zeitgeschichte ist, was sie sein kann und soll, ist heute dringender denn je. Denn in einer Zeit, in der allenthalben die Forderung nach Interdisziplinarität gestellt wird, ist die inhaltliche und methodische Identität des Fachs Zeitgeschichte keineswegs selbstverständlich. Seine Vertreterinnen und Vertreter befinden sich nicht nur in medialer, sondern auch wissenschaftlicher Deutungskonkurrenz um das Bild der jüngsten Vergangenheit. Gerade die Perspektivverschiebung von der Nachgeschichte des Nationalsozialismus zur Vorgeschichte gegenwärtiger Problemkonstellationen (Hans Günter Hockerts) hat das Fach für neue Fragen geöffnet, seine Konturen aber in mehrfacher Hinsicht verwischt.

Die Tagung geht von drei Problemstellungen aus: Der zeitlichen und räumlichen Entgrenzung, der Methodenpluralisierung  und der Deutungskonkurrenz und Identitätsbestimmung.
Ausgehend von diesen drei Problemstellungen sollen auf der Tagung grundsätzliche Fragen des zeit-historischen Selbstverständnisses diskutiert und damit dazu beigetragen werden, den oft unpräzisen – bisweilen sorglosen – Umgang mit Vokabular, Methoden und Theorien der sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen auf eine nicht notwendig sichere, wohl aber gründlicher reflektierte Grundlage zu stellen. Die Tagung verfolgt dabei ein bewusst exploratives Anliegen und will herausfinden, wie aktuelle Forschungsprojekte mit den oben skizzierten Herausforderungen umgehen, welche Lösungsvorschläge sie erarbeiten und an welchen empirischen Phänomenen sie diese durchdeklinieren. Gefragt wird danach, an welchen Punkten die zeithistorische Forschung auf grundsätzliche Erkenntnisgrenzen stößt – und welche Probleme möglicherweise eher forschungspraktisch begründet sind.


Programm der Tagung (pdf)

Programm

Donnerstag, 25. Februar 2016

13:30-14:00 Begrüßung und Einführung

14:00-15:30
Entgrenzung der Vergangenheit: Verlust und Persistenz des NS-Bezuges

Habbo Knoch (Köln): Unendliche Zeitgeschichte? Der Nationalsozialismus und die deutsche Ge-schichtswissenschaft im 21. Jahrhundert
Stefanie Middendorf (Halle): Problemgeschichte der Gegenwart? Der Ort des Nationalsozialismus in der Zeitgeschichte

Moderation/Diskussion: Dietmar Süß (Augsburg)

15:30-16:00 Kaffeepause

16:00-17:30
Räumliche Entgrenzung: Der Ort der Bundesrepublik

Florian Greiner (Augsburg): Die Pluralisierung eines imaginierten Raumes - Tendenzen, Perspektiven und Herausforderungen der zeithistorischen Europa-Forschung
Jörg Neuheiser (Tübingen): Wertewandel, Arbeit und Zeitgeschichte. Wie national darf eine transnationale Geschichtsschreibung sein?

Moderation/Diskussion: Heike Wieters (Berlin)

17:30-17:45 Kaffeepause

17:45-19:15
Zeitgeschichte und sozialwissenschaftliche Ungleichheitsforschung

Winfried Süß (Potsdam): Entdeckungserzählungen und Verschattungsnarrative. Soziale Ungleichheit zwischen Soziologie und (Zeit-)Geschichte
Christiane Reinecke (Leipzig): Den Beobachter beim Beobachten beobachten: Zur Historisierung und Lokalisierung von Wissenspraktiken in der Stadt- und Ungleichheitsforschung

Moderation/Diskussion: Annelie Ramsbrock (Potsdam)

20:00 Gemeinsames Abendessen


Freitag, 26. Februar 2016

9:00-10:30
Zeitgeschichte und Sozialwissenschaften: Kategorien und Praktiken

Ariane Leendertz und Nina Verheyen (Köln): Die Sozialwissenschaften in der Welt der Historie: Thesen zum Verhältnis von Zeitgeschichte und Soziologie
Kerstin Brückweh (Tübingen/Duisburg-Essen): Junge Erwachsene und die „Krise” des Arbeitsmarktes seit den 1970ern. Zur produktiven Verbindung von Geschichts- und Sozialwissenschaften

Moderation/Diskussion: André Steiner  (Potsdam)

10:30-11:00 Kaffeepause

11:00-13:00
Zeitgeschichte und sozialwissenschaftliche Umfrageforschung

Christopher Neumaier (Potsdam): Soziologische Perspektiven auf die Familie im Zeitalter des Wertewandels
Bernhard Dietz (Mainz): Herausforderungen der Zeitgeschichte in der Welt der sozialwissenschaftlichen Wertewandelsforschung
Janosch Steuwer (Bochum): „Durch den Druck der Öffentlichkeit“? Der zeithistorische Umgang mit Meinungsumfragen am Beispiel der Zwangsarbeiterentschädigung

Moderation/Diskussion: Alexander Gallus (Chemnitz)

13:00-14:00 Mittagspause

14:00-15:30
Zeitgeschichte, Wirtschaftsgeschichte, Wissenschaftsgeschichte

Tim B. Müller (Hamburg): Demokratie, Wirtschaftsgeschichte und Zeitgeschichte
Benoît Majerus (Luxemburg): T4, 4560RP und double bind. Psychiatrische Begriffe und zeitgeschichtliche Analyse im 20. Jahrhundert

Moderation/Diskussion: Kim Christian Priemel (Berlin)

15:30-16:00 Kaffeepause

16:00-18:00
Zeitgeschichtliche Quellen, Sprachen und Narrative

Pieter Lagrou (Brüssel): The Black Years of the White Continent? Ways out of the liturgy of the superiority of the present over the past
Martina Steber (München): Im Kerker/Netz der Sprache. Begriffsbildung in der Zeitgeschichte
Andreas Fickers (Luxemburg), Zwischen ‚close‘ und ‚distant reading‘: Zur Hybridität zeithistorischer Forschungspraxis im digitalen Zeitalter

Moderation/Diskussion: Jenny Pleinen (Augsburg)


Samstag, 27. Februar 2016

9:00-11:00
Zeitgeschichte, Medien- und Kommunikation

Claudia Gatzka (Freiburg): Massenmedien und die ‚Modernisierung‘ politischer Kommunikation in der Bundesrepublik und Italien. Zeitgeschichtliche Tieferlegungen
Jenny Pleinen (Augsburg): Zeitgeschichte und Journalismus
Frank Bösch (Potsdam): Zeitgeschichtsschreibung im Zeitalter der Massenmedien

Moderation/Diskussion: Rüdiger Graf (Potsdam)

10:00-11:30 Kaffeepause

11:30-13:00
Entgrenzung von Gegenwart und Zukunft
Frank Reichherzer (Potsdam): Die Grenzen der Gegenwart. Überlegungen zur Zeitperspektive der Zeitgeschichte
Rüdiger Graf (Potsdam): Der Verlust der Zukunft und der Zukunftsbezug der Zeitgeschichte

Moderation/Diskussion: Martin Sabrow (Potsdam)

13:00-13:30 Abschlussdiskussion

Veranstaltungsort

Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Großer Seminarraum
Am Neuen Markt 9 d
14467 Potsdam

Kontakt und Anmeldung

Priv.-Doz. Dr. Rüdiger Graf
Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Am Neuen Markt 1
14467 Potsdam
graf [at] zzf-pdm [dot] de

Interessierte, die an der Tagung teilnehmen möchten, nehmen bitte Kontakt mit Rüdiger Graf auf: graf [at] zzf-pdm [dot] de