Im Projekt wird erforscht, welche Verbindungen aus Raum- und Zeitwissen eine sozialistische Gesellschaft realisierte, in der die revolutionäre Arbeitswelt den Garanten für das Neue und Neuzuschaffende darstellte. Inwiefern koordinierte die Verzeitlichung des Raums die Interaktion aus individueller, sozialer und politischer Praxis zu Vorstellungen von heilsgewisser Erwartung, Stagnation oder historisierender Erinnerung? Im Anschluss an die Forschungen der Cultural Landscape Studies sowie an kultur- und kunsthistorische Forschungen zu politischen und historischen Landschaften beleuchtet das Forschungsvorhaben diese Fragen anhand exemplarischer Landschaften der DDR in Bildmedien und Sprachwerken. Denn in der DDR entstandene Artefakte aus der bildenden Kunst, der Fotografie, des Films und der Literatur geben als mediale Beglaubigungen eines gleichermaßen realen wie teleologisch verstandenen Sozialismus Aufschluss über unterschiedlichste Ideen, Bilder und Metaphern des verschwundenen Landes. Dabei erscheint aus der für den Sozialismus charakteristischen Perspektive des historischen Materialismus Landschaft immer schon verzeitlicht, insofern sie als eine vom Menschen zu bearbeitende Größe betrachtet wird, die erst in der Dynamik ihrer Veränderung zu sich kommt.
In Betracht dafür kommen Werke, in deren Darstellungszusammenhängen Montanlandschaften, Stadtlandschaften, Freizeitlandschaften und Geschichtslandschaften eine maßgebliche Rolle spielen: bspw. Bilder von Wolfgang Mattheuer, Filme von Konrad Wolf, Fotographien von Roger Melis, Literatur von Angela Krauß. Anhand solcher Artefakte, deren Auswahl Urheber*innen berücksichtigt, die durch unterschiedliche Positionen (affirmativ, kritisch-loyal bzw. kritisch) dem SED-Staat verbunden waren, sollen die durch sozialistische Handlungsoptionen in Gang gesetzten räumlichen Dynamiken analysiert und mit den drei Polen der dimensionierten Zeit (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) in Beziehung gestellt werden. Dabei lassen sich drei temporale Landschaftskategorien herauskristallisieren, welche mit Blick auf 40 Jahre DDR-Geschichte auch historische Relevanz beanspruchen können. Demnach wird der Tendenz nach die Dominanz von Erwartungslandschaften (1950er und 1960er Jahre) abgelöst durch das Erstarken von Erfahrungslandschaften (1970er Jahren), auf die ein Primat von Erinnerungslandschaften (1980er Jahre) folgt. Das Ziel des Vorhabens ist es, zum einen visuelle und sprachliche Darstellungsmodi miteinander zu verbinden, um Landschaft als multimedialen ästhetisch-politischen Gegenstand zu konzeptualisieren. Andererseits gilt es die Verzeitlichung solchermaßen verstandener Landschaften als historiographische und kulturwissenschaftliche Kategorie zu befördern.