A Class of Experts. Computer Work and its Hierarchies

Beginn des Projektes
November 2024

Forschungsprojekt
im Leibniz-Verbundvorhaben „Digital Inequalities“ 

In der Bundesrepublik wurde das „Arbeitsfeld Computer“ seit dem Ende der 1970er Jahre zum Gegenstand diverser populärer Ratgeber. Exemplarisch dafür steht ein Buch über die neuen „Computer-Berufe“ von Kurt Weichler aus dem Jahr 1987, in dem er anhand von biografischen Skizzen und Interviews das Bild einer Profession zeichnet, die von (genialen) Querköpfen mit gebrochenen Berufsbiografien und ehrgeizigen Unternehmern geprägt sei. Für viele der digitalen Experten schien die Arbeit am Computer eine Berufung zu sein, weshalb „jeder gute Programmierer […] mindestens 3-mal geschieden“ sei oder  erst „auf Druck der Ehefrau“ den Sonntag mit ihr und den drei Kindern verbringe. 

Dieses Klischee eines (männlichen) Computerexperten unterschied sich sowohl habituell als auch bezüglich seines Werts für das Unternehmen grundlegend vom „klassischen“ Arbeiter der Hochmoderne. Von ihm wurden weniger formale Qualifikationen oder Berufserfahrung erwartet als vielmehr, dass er als „als Unternehmer seiner selbst“ agiere (Bröckling 2007). Das Forschungsvorhaben analysiert, wie diese neuen Experten in Westdeutschland etablierte Unternehmenshierarchien, Verfahren und Arbeitsabläufe in Frage stellten und sich so als neue Klasse zwischen den 1970er und 1990er Jahren konstituierten. Als Avantgarde der "technologisch angeregten Singularisierung" im Bereich der Arbeitswelten (Reckwitz 2017) erscheinen sie damit als Vorboten und Agenten einer Neoliberalisierung, deren Kennzeichen eine Polarisierung zwischen hoch- und geringqualifizierten Arbeitern, eine Flexibilisierung der Arbeit sowie die Etablierung neuer Ungleichheitssysteme waren. So entstand in der Computerindustrie neben den hochbezahlten Computerexperten auch eine zweite Klasse von EDV-Arbeitern – beispielsweise in Rechenzentren – deren Alltag von neo-tayloristischen Arbeitsprozessen im Dreischichtbetrieb geprägt war (Boes 2003). Ziel des Projekts ist eine Untersuchung der digitalen Transformation der Arbeitswelten unter besonderer Berücksichtigung der (intersektional gedachten) Klassenkonflikte seit den „langen“ 1970er Jahren.

Für mehr Informationen zum Verbundprojekt Digital Inequalities besuchen Sie die Projekt-Website unter: https://digital-inequalities.com 

Johannes Kleinmann
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Bildinfo

Johannnes Kleinmann, Fotocredit: Andrea Schombara Fotografie

Johannes Kleinmann

Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung
Am Neuen Markt 1
14467 Potsdam

Email: johannes.kleinmann [at] zzf-potsdam.de


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