14/2021: Zeitungen

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Im Sommer 2021 haben wir vie­le, viele alte Zeitungen ge­schenkt be­kommen und dies zum An­lass ge­nommen, un­ser Zeitungs­regal komplett neu zu sor­tieren. Die alten Jahr­gänge unserer Tages­zeitungen sind ab sofort unter dem Standort „Regale Groß­formate“ im Unter­geschoß der Biblio­thek zu finden. 
Neu im Bestand haben wir einige linke Tages­zeitungen aus der al­ten Bundes­republik. Die Recherche nach den Erscheinungsverläufen erzählt auch ein Stück bundes­deut­scher Zeit­geschichte, denn mit dem Ver­bot der KPD 1956 konn­ten einige Zeitungen nicht mehr er­scheinen, wurden später neu gegründet, fusioniert oder auf­ge­kauft. 
Zu unserer Über­raschung waren einige der Zeitungen nicht exakt in der zentra­len Zeit­schrif­ten­daten­bank nach­gewiesen. Wir haben das korri­gieren lassen, denn was nach­weisbar existiert, kann auch ge­lesen und er­forscht werden. 
In diesem Sinne: Vorwärts, und nicht vergessen... und ja, Masken hel­fen auch gegen das Ein­atmen von Staub beim Sichten alter Zeitungen.

Neuer Vorwärts, Hannover (Z 724: 1954), Vorwärts, Westberlin (Z 722: 1955 – 1989); Vorwärts, NRW (Z 726: 1996 – 2010) und Der Neue Vorwärts, Wien (Z 721: 1949; 1951; 1953 – 1955)
1876 wurde von den beiden Wilhelms Liebknecht und Hasenclever die „Zeitung der Deutschen Sozial­demokratie“ der „Vorwärts“ gegründet. 1933 wurde er ver­boten, die Redak­tion ging ins Exil und brachte die Zeitung bis 1940 unter dem Titel „Neuer Vorwärts“ in Prag und Paris heraus.
1948 erschien die erste Aus­gabe des „Neuer Vorwärts“ als „Zentral­organ der Sozial­demo­kratischen Partei Deutsch­lands“, von dem wir das zweite Halb­jahr 1954 im Bestand haben. Ab 1955 hieß die Zeitung wieder schlicht „Vorwärts“. Wir haben alle Jahr­gänge bis 1989. 
Seit 1996 gibt es eine Regional­ausgabe in NRW, von der wir die Jahr­gänge 1996 bis 2010 besitzen. 
Aber auch in Wien gab es einen „Neuen Vorwärts“, der 1948 von dem Links­sozialisten Erwin Scharf be­gründet wurde und bis 1956 er­schien. Wir haben davon immerhin fünf Jahr­gänge im Bestand.

Unsere Zeit, Mannheim Stuttgart (Z 723: 1963 – 1967), Tatsachen, Duisburg (Z 725: 1965 – 1969) und Unsere Zeit, Essen (Z 727: 1990; 1992 bis 1999)
1962 brachte der Mann­heimer Schlosser Eugen Straub vier­zehn­tägig die Regional­zeitung „Unsere Zeit, un­abhängi­ge Zeitung für Süd­west­deutsch­land“ (UZ) heraus. Im Dezember 1963 durch­suchte die Staats­anwalt­schaft die Ver­lags­räume wegen des Ver­dachts, die UZ sei eine Partei­zeitung der KPD. Im April verkauf­te Straub darauf­hin die UZ an den Gutmann-Ver­lag in Stutt­gart, wo sie noch bis 1967 erschien. Im März 1965 mussten sich Straub und sein ehe­maliger Redak­teur Eberhard Weber den­noch vor dem Land­gericht Karlsruhe wegen unter­stell­ter Ver­fassungs­feind­schaft recht­fer­ti­gen. Das Ver­fahren wurde später ein­ge­stellt. Wir haben etwas lücken­haft die Jahr­gänge 1962 bis 1967 im Be­stand.
Parallel zu der UZ er­schien von 1961 bis 1969 im Ruhr­gebiet die Wochen­zeitung „Tatsachen“, von der im ZZF die Aus­gaben ab 1965 vor­han­den sind. Sie gilt als eigent­liche Vor­gängerin der seit 1969 – als die KPD als DKP neu­ge­gründet und nicht mehr ver­boten war – in Essen er­scheinen­den „sozialistischen Volks­zeitung“ „Unsere Zeit“. Ihr stell­ver­treten­der Chef­redakteur war zeit­weise eben jener Eberhard Weber, der als alleiniger Redakteur in der Mann­heimer UZ gewirkt hatte. Im ZZF haben wir die Jahr­gänge 1990 und 1992 bis 1999 der in­zwischen über­regional er­scheinen­den UZ im Bestand.

Die Wahrheit, Westberlin (Z 734: 1959 – 1989) 
1946 wurde die SED ge­gründet. Sie soll­te nach dem Wunsch der sowjetischen Militär­administra­tion als Nach­folge­partei von KPD und SPD agie­ren. Tat­säch­lich wur­de sie nur auf dem Ge­biet der späteren DDR zu­ge­lassen – und in Berlin. Mit dem Bau der Mauer galt die SED-W nicht mehr als un­mittel­bar der SED der DDR unter­stellt und nannte sich in SED West­berlin um, seit 1969 hieß sie nur noch SEW. Sie galt als un­abhängig von der bundes­republika­nischen KPD und war auch nicht ver­boten. Als Zentral­organ der SEW gilt „Die Wahr­heit“, die von 1955 bis 1989 er­schien. Wir haben lücken­haft die Jahr­gänge ab 1959 im Be­stand, aber auch die Bei­lage „Zeit­geschichte, Theorie, Dokumen­tation“, die ab 1968 erschien.

Hamburger Volkszeitung (Z 729: 1952 – 1954)
Die Hamburger Volks­zeitung wurde bereits 1918 ge­gründet und erst­mals 1933 verboten. Wieder­be­gründet 1946 wurde sie 1956 erneut ver­boten. Illegale Aus­gaben er­schienen noch bis 1962. Wir haben drei Jahr­gänge aus den 50er Jahren im Be­stand.

Neue Zeit, Saarbrücken (Z 730: 1951 – 1957)
Die „Zeitung des schaffen­den Volkes an der Saar“, wie die „Neue Zeit“ im Unter­titel hieß, war das „Organ der Kommunisti­schen Partei“ im Saarland. Die erste Aus­gabe erschien am 22. Juni 1946, die letz­te offizielle am 9. April 1957. Wir haben etwas lücken­haft die Jahr­gänge ab 1951 im Bestand.

Deutsche Volkszeitung, Düsseldorf (Z 735: 1954 – 1960; 1982 – 1983)
Unmittel­bar nach Ende des Zweiten Welt­krieges erschien am 13. Juni 1945 die erste Aus­gabe der „Deut­schen Volks­zeitung“. Benannt nach dem von 1936 bis 1939 im Prager Exil erschienenden Wochen­blatt der KPD, war sie bis zur Gründung der SED das Zentral­organ der Kommunistischen Partei Deutsch­lands. Sie ging auf in das seit dem 23. April 1946 erscheinende „Neue Deutschland“. 
In der Bundes­republik erschien dann ab dem 12. Mai 1953 wieder eine „Deutsche Volks­zeitung“, die sich als linksliberal verstand, aber auch kommunistische Autor*innen zu Wort kommen ließ. Besonders im Zuge der Studen­ten­be­wegung und im Kampf gegen die Not­stands­gesetze positionier­te sich die „Deutsche Volks­zeitung“ als linke Wochen­zeitung. Leider feh­len die 60er und 70er Jahre in unserem Bestand.

Die Tat, Frankfurt am Main (Z 732; 1957)
1983 fusionier­te die „Deutsche Volks­zeitung“ mit der „Tat“, der „Zeitung der Vereini­gung der Ver­folg­ten des Nazi­regimes“. Wir haben immer­hin einen Jahr­gang dieser Wochen­zeitung im Bestand.

Sonntag, Ost-Berlin (Z 23: 1946 – 1990) und Freitag, Berlin (1990 –) 
1990 wiederum fusionier­te die „Deutsche Volks­zeitung/die Tat“ mit der seit 1946 erschienen­den DDR-Wochen­zeitung „Sonntag“ zum „Freitag“, den wir bis heute abonniert haben.

(15.11.2021)