Das Feuilleton spricht von einem neuen Trend: statt alles neu zu kaufen wird geteilt. Unter dem Schlagwort „Sharing Economy“ werden auf einschlägigen Portalen Werkzeuge, Babystrampler und Nachbarschaftshilfe angeboten. Wir praktizieren das Prinzip „Tauschen statt Kaufen“ schon etwas länger, zum Teil aus ökonomischer Notwendigkeit, aber auch, um mit anderen Einrichtungen im Austausch zu sein. Während ausgewählte Bibliotheken ZZF-Publikationen sofort nach Erscheinen geliefert bekommen, treffen auch bei uns regelmäßig Päckchen mit frischen Büchern aus befreundeten Einrichtungen ein.
Ganz neu hinzugekommen ist das Deutsche Historische Museum (DHM), das uns Ende letzten Jahres gleich drei Pakete mit neuen und älteren Ausstellungskatalogen geschickt hat, die wir alle noch nicht im Bestand hatten. Zu den eingetroffenen Schätzen gehören:
Sparen. Geschichte einer deutschen Tugend, 2018 (ZZF 32323)
Tauschen ist ja nur eine Form des (Geld-)Sparens. Der neonorange leuchtende Ausstellungskatalog entstand in Kooperation mit einer Bank, die sich eher kaminrot präsentiert und das Sparen (und nicht die Gewinnmaximierung) im Namen trägt: die Berliner Sparkasse. In 14 Aufsätzen u. a. von Jürgen Kocka und Johannes Bähr wird über den (nicht unbedingt zwingenden) Zusammenhang von Sparen und Bankwesen vom 19. Jahrhundert, als die Sparkasse erfunden wurde, bis in unsere Gegenwart nachgedacht, wenn etwa Carl-Ludwig Thiele nach der „Bedeutung des Bargelds als Wertaufbewahrungsmittel“ fragt. Eigentlich eher ein Sammelband ist dieser Katalog schön gestaltet und mit etlichen ansprechenden farbigen Illustrationen versehen.
Christiane Blass: DDR-Souvenirs ... und sie nannten es „Sonderinventar“, 1994 (4° ZZF 32337)
Kennen Sie das auch? Der Urlaub ist so schön wie vergänglich. Um sich wenigstens eine Erinnerung daran zu bewahren, werden Souvenirs gekauft, die im heimischen Regal dann eher irritieren als erfreuen und die vor allem verstauben. Als 1990 dem im Westteil der Stadt gelegenen DHM das 1952 gegründete und im Zeughaus untergebrachte Museum für Deutsche Geschichte übertragen wurde, fiel den Museumsleuten aus dem Westen ein „Sonderinventar“ benannter Bestand auf, dessen Sammlung eher skurril anmutete, denn er umfasste Erinnerungsgeschenke, die bei Staatsbesuchen im Ausland oder in der DDR ausgetauscht wurden. Diesen besonderen Souvenirs widmet sich der unterhaltsame, dreisprachig gehaltene Bildband, der u. a. ein Porträt Honeckers auf einem Wildschweinfell zeigt (ein Geschenk des äthiopischen Präsidenten Mengistu Haile Mariam) oder in Plexiglas eingelassene „Erde aus der Heimat Lenins“.
Stefan Moses: Abschied und Anfang. Ostdeutsche Porträts 1989-1990, 1991 (4° ZZF 32335)
Stefan Moses (1928-2018), der seit 1950 in München gelebt hatte, reiste vom Winter 1989/90 bis zur Wiedervereinigung immer wieder in den Osten Deutschlands, um die dort lebenden Menschen zu fotografieren. Das tat er nicht im Vorübergehen. Stattdessen hängte er ein weißes Tuch in den Ort, vor dem er die Menschen in ihrer Arbeitskleidung aufnahm. Statt des Namens sind die Berufe der Porträtierten genannt, wie Köchin oder Kohlenhändler, Stadtplaner oder ehemalige Pilotin. Andere werden mit einer Aufgabe oder Lebensweise beschrieben wie Stasi-Auflöser oder Hausbesetzer. Bei einigen Bildern wirkt das Zusammenspiel von Gezeigtem und Benennung unfreiwillig doppeldeutig, wenn etwa ein grimmig dreinblickendes Imkerpaar als „Bürgermeister, Parteifunktionär – PDS, Neetzow“ beschrieben wird. Unter den als Schriftsteller, Maler oder Parteivorsitzende Bezeichneten sind nicht wenige Bekannte zu finden.
Klaus Honnef, Ursula Breymayer (Hg.): Ende und Anfang: Photographen in Deutschland um 1945, 1995 (4° ZZF 32333)
Von einem Ende und Anfang anderer Art erzählt dieser Katalog, der 15 Fotografen und Fotografinnen vereint, die um 1945 in Deutschland waren – von Margaret Bourke-White über Robert Capa bis zu Jewgeni Chaldej. Einige der Bilder sind zu Ikonen der Erinnerungskultur geworden, andere dokumentieren das Kriegsende mit all seinen Wunden an Häusern und Menschen. Ruinen und Leichen, leere Gesichter und zerbombte Städte – zu sehen ist eher eine Ausgangslage als ein Anfang. Oder, wie Simone de Beauvoir es nach einem Besuch in Berlin im Februar 1946 beschreibt – und Klaus Honnef sie im Vorwort des Bandes zitiert: „Die Dinge selbst hatten zu delirieren begonnen.“ Für einen Neuanfang mussten erst die Toten beerdigt und die Straßen vom Schutt gesäubert werden.
1945 – Niederlage, Befreiung, Neuanfang: zwölf Länder Europas nach dem Zweiten Weltkrieg, 2015 (4° ZZF 32322)
Aber nicht nur Deutschland und die Deutschen waren nach 1945 zerstört und verwundet. Das nationalsozialistische Deutschland hatte in vielen Ländern gewütet. Weltweit sind dem von Deutschland angezettelten Krieg mehr als 60 Millionen Menschen zum Opfer gefallen. Der Katalog von 2015 schaut auf die Kriegsfolgen und den Neuanfang in 12 europäischen Ländern, unter ihnen die drei alliierten europäischen Siegermächte, alle unmittelbaren Nachbarländer und Norwegen. In den Blick genommen werden sowohl die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der unmittelbaren Nachkriegszeit wie auch das Alltagsleben der Menschen, das anhand von 36 exemplarisch ausgewählten Biografien gezeigt wird.
Olga Lander. Sowjetische Kriegsfotografin im Zweiten Weltkrieg, 2018 (4° ZZF 32325)
Auf einem Foto, das ein Treffen ehemaliger sowjetischer Kriegsfotografen in den Redaktionsräumen von Sowjetskoe Foto in Moskau zeigt, sitzt inmitten der 31 hochdekorierten Männer, unter ihnen auch Jewgenij Chaldej, eine einzige Frau: Olga Lander. 1909 geboren, studierte sie Fotografie am Stroganow Institut in Moskau, um anschließend für die Jugendzeitung Komsomolskaja Prawda zu arbeiten. Anfang 1943 wurde die Fotografin an die Südwestfront geschickt, wo sie die Schlacht um Stalingrad dokumentieren konnte. Sie blieb sechs Jahre bei der Armee. In Österreich erlebte sie das Ende des Krieges und blieb dann noch drei Jahre bei den sowjetischen Besatzungstruppen in Rumänien. Ihre Fotos zeigen den Alltag der Soldaten, den Krieg als Handwerk und die Kämpfenden als Helden. Lander fotografierte für eine täglich erscheinende Militärzeitung. Es war ihre Aufgabe, das Kämpfen, Durchhalten und Siegen zu zeigen – nicht den Tod.
Winfried Ranke: Deutsche Geschichte – kurz belichtet. Photoreportagen von Gerhard Gronefeld, 1937-1965, 1991 (4° ZZF 32326)
Gerhard Gronefeld (1911–2000) lernte ebenfalls das Fotohandwerk und ließ sich 1936 für die Olympischen Sommerspiele als Fotoreporter akkreditieren. Im Zweiten Weltkrieg war er Mitarbeiter einer Propagandakompanie der Wehrmacht. Zeitweise hatte er den Status eines privilegierten Sonderberichterstatters inne. Nach Kriegsende arbeitete Gronefeld als Fotoreporter u. a. für die Neue Berliner Illustrierte in Ostberlin und ab 1946 für das Life Magazin. Seit 1949 war er ständiger Mitarbeiter der Quick, wechselte 1964 zum Stern und spezialisierte sich später auf Tierfotografie. Ende der 80er Jahre übernahm das DHM das Fotoarchiv des Bildlichtreporters, der sowohl den Krieg wie auch das aufkommende Wirtschaftswunderland abgebildet hat.
Brennpunkt Berlin: die Blockade 1948/49 ; der Fotojournalist Henry Ries, 2008 (4° ZZF 32321)
Eigentlich war Henry Ries mit seiner Familie als 20jähriger in die USA emigriert. Doch 1945 kehrte er als Soldat nach Europa zurück. Seit 1947 arbeitete er als Fotojournalist für die New York Times und fotografierte u. a. die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse und die Berliner Blockade. Ries fotografierte das Westberlin in der Zeit der Luftbrücke für ein amerikanisches Publikum, das verstehen sollte, warum ein ehemaliger Kriegsgegner mit Nahrungsmitteln unterstützt werden sollte. Sechzig Jahre später erläutert Jochen Laufer im Ausstellungskatalog den Ursprung der Berlin-Krise und André Steiner erklärt die Währungsreform sowie die Versorgungslage in Berlin in den Jahren 1948/49. Henry Ries kehrte 1950 nach New York zurück. 2007 konnte das DHM den Nachlass des Fotografen erwerben.
Viel Spaß beim Stöbern in der Visual History
wünscht das Bibliotheksteam
(26.03.2019)