19/2024: Helga Paris (1938-2024)

Foto: SpreeTom, Lizenz: CC-BY-3.0

Bildinfo

Die Fotografin Helga Paris während einer Ausstellungseröffnung in Berlin. Foto: SpreeTom, Lizenz CC-BY-3.0

Es gibt Menschen­fotograf*innen und solche, die lieber Land­schaften in Bilder einfangen. Vielleicht ist das eine etwas schlichte Kate­go­risierung. Ich finde beides schwierig, Menschen in ein Bild einzu­fangen, das mehr erzählt als der Blick im Vorübergehen, oder Land­schaften in einen Rahmen zu bringen, der den Raum dahinter ahnen lässt.

Helga Paris war beides, Menschen- und Landschafts­­fotografin. Wobei Land­­schaften bei ihr zumeist Städte waren – Berlin, Halle (Saale), Leipzig, Rom. Sie hat Häuser wie Gesichter fotografiert. Häufig waren es alte Häuser mit Narben, Wunden und abge­­blättertem Putz. Kriegs­­versehrte Gebäude oder alters­schwache Hütten. Das mag an ihrer Biografie liegen. Helga Paris wurde 1938 in Gollnow, im heutigen Polen geboren. Ihr Abitur machte sie in Zossen, nahe Berlin, wo sie Mode­­gestaltung studierte und 1966 in die Wins­­straße zog, die so etwas wie ihr persön­liches Open Air-Fotostudio wurde. Ende der 60er Jahre machte sich Helga Paris als Fotografin selbständig – in jedem Sinne des Wortes. Sie wurde DIE Fotografin Ost­berlins, wie Annett Gröschner in ihrem Nachruf in der taz schrieb.*

Helga Paris foto­grafierte ihre Nach­bar­­schaft konsequent in schlichtem Schwarz/Weiss. Grau ist schließlich bunt genug und lenkt nicht ab von dem Wesent­­lichen, dem Leuchten in den Gesichtern oder den zer­­schlissenen Fassaden der Häuser. Die Menschen, die sich von Helga Paris foto­grafieren ließen, waren oft jung, viel jünger als die Häuser, vor oder in denen sie stehen. Manche der Personen sind berühmt, andere tragen Kittel­­schürze und ein leises Lächeln. Fast alle schauen direkt in die Kamera – bzw. auf die Frau dahinter. Die Zuge­wandtheit der Fotografin ist in jedem der Gesichter zu lesen. 2008 hörte Helga Paris auf (professionell) zu fotogra­fieren. Am Montag ist sie in ihrer Wohnung in der Wins­­straße gestorben.

Wir haben in der ZZF-Bibliothek 4 Fotobände von Helga Paris:

Der 2006 vom Stadtmuseum Halle (Saale) neu herausgegebene Band „Diva in Grau: Häuser und Gesichter in Halle“ dokumentiert eine Ausstellung, die 1986 verboten wurde (4° ZZF 20070).

Einen Überblick ihres Werks gibt „Helga Paris Fotografie“ (2013, 4° ZZF 24576). 2020 erschien „Leipzig Hauptbahnhof 1981/82“ (ZZF 37842), ein Jahr darauf „Künstlerporträts“ (ZZF 37506).

Darüber hinaus ist sie vertreten in den Bildbänden

„Das pure Leben: Fotografien aus der DDR; Bd. 2: Die späten Jahre 1975-1990“ (4° ZZF 25940),

„Geschlossene Gesellschaft: künstlerische Fotografie in der DDR 1949-1989“ (4° ZZF 24071),

„Eros und Stasi: ostdeutsche Fotografie“ (4° ZZF 36335),

„Foto-Anschlag: vier Generationen ostdeutscher Fotografen“ (4° ZZF 14233),

„Ost sieht West, West sieht Ost: Deutschland im Frühjahr 1990“ (4° ZZF 24071) und

„Berlin, November 1989: 14 Fotografen aus Ost und West erleben die Öffnung der Mauer“ (4° ZZF 13006).

 

*https://taz.de/Helga-Paris-ist-tot/!5991050/

(08.02.2024)