Vom Bittbrief zur Hassmail? Bürgerbriefe als politische Kommunikationsform (Theodor-Heuss-Kolloquium 2022)

Konferenz
Datum: 19.05.2022 to 20.05.2022
Ort: Stuttgart / Online

Beginn der Konferenz: Donnerstag, 19. Mai 2022, 9:00 Uhr

Veranstalter:
Dr. Ernst Wolfgang Becker, Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus
Prof. Dr. Frank Bösch, Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF)

Politikerinnen und Politiker erhielten bereits im 19. und 20. Jahrhundert jährlich hunderte, mitunter tausende Briefe von Bürgerinnen und Bürgern, die meist auch eine Antwort bekamen. Das Theodor-Heuss-Kolloquium 2022 untersucht diese bislang wenig beachtete direkte politische Kommunikation. Die Tagung fragt, wie sich deren Inhalte und Form seit dem Kaiserreich in Demokratie und Diktatur wandelten und was für ein politisches Selbstverständnis hierin zum Ausdruck kam.

Das Theodor-Heuss-Kolloquium 2022 sucht mit seinem Fokus auf Bürgerbriefe in mehrfacher Hinsicht einen neuen Ansatz für die Geschichte der politischen Kommunikation und Demokratie. Während für gewöhnlich die Kommunikation der Medien und Eliten betrachtet wird, blickt die Konferenz auf einen „von unten“ angeregten politischen Austausch. Im Unterschied zur veröffentlichten Meinung rücken damit individuelle Positionen und Haltungen in den Vordergrund. Sie zeigen etwa, wie und woran Kritik geübt wurde und welche Erwartungen sich an Politikerinnen und Politiker sowie an staatliche Behörden richteten, um Abhilfe bei Problemen zu schaffen.

Darüber hinaus geben die Antworten auf die Briefe Auskunft darüber, wie Politiker und die Bürokratie ihre Arbeit und die Leitlinien ihrer Behörden und Parteien bei individuellen Problemen rechtfertigten und wie sie gegebenenfalls aus Einzelfällen Lösungen entwickelten. Da Politiker mit der Veröffentlichung ihrer Antworten rechnen mussten, sind die Schreiben als ein Spagat zwischen individueller Positionierung und genereller Amts- und Parteiräson sowie als eine besondere Form der Bindung an die Bürger anzusehen, die diese Schreiben aufbewahrten und über sie berichteten.

Die Tagung konzentriert sich auf Schreiben von Privatpersonen, die nicht als direkte Vertreter einer Interessengruppe auftraten und sich an einzelne Politiker und Politikerinnen oder Ministerien wandten. Die Beiträge umfassen den Zeitraum von Mitte des 19. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts und konzentrieren sich vor allem auf Deutschland, die DDR und die Bundesrepublik. Sie beschäftigen sich u. a. mit den Motiven für die Schreiben, mit den Teilnehmern und Teilnehmerinnen sowie den Praktiken der Kommunikation, mit den Reaktionen von politischer Seite und schließlich mit dem Staats-, Politik- und Demokratieverständnis, das in dieser Kommunikationsform deutlich wird.


PROGRAMM

Donnerstag, 19. Mai 2022

9.00 Uhr
Dr. Thomas Hertfelder (Stuttgart): Begrüßung

Einführung
Prof. Dr. Frank Bösch (Potsdam): Im Dialog mit dem Volk. Bürgerbriefe als Form der politischen Kommunikation

9.30 Uhr
1. Sektion: Bürgerbriefe und Demokratisierung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik
(Moderation: Dr. Ernst Wolfgang Becker)

  • Prof. Dr. Hedwig Richter (München): Devotion und Renitenz. Unklare Verhältnisse in Bürgerbriefen von 1848 bis zum Ersten Weltkrieg
  • Dr. Volker Köhler (Darmstadt): Vom Parteigenossen zum Minister. Eingaben und Bittbriefe an sozialdemokratische Amtsträger in Sachsen (1918–1925)

11.00 Uhr | Pause

11.30 Uhr
2. Sektion: Bürgerprotest, Lobpreisung und Denunziation im Nationalsozialismus
(Moderation: Prof. Dr. Ewald Grothe)

  • Prof. Dr. Wolfram Pyta (Stuttgart): Bürgerbriefe an Hitler
  • Dr. Stefan Scholl (Mannheim): Einschreibung. Die sprachliche Herstellung von Zugehörigkeit in Bittgesuchen und Beschwerdeschreiben während des Nationalsozialismus

13.00 Uhr | Mittagessen

14.00 Uhr
3. Sektion: Eingaben als Demokratieersatz? Bürgerbriefe in der DDR
(Moderation: Dr. Thorsten Holzhauser)

  • Prof. Dr. Martin Sabrow (Potsdam): Konsens und Kritik. Bürgerbriefe an Erich Honecker
  • Prof. Dr. Christina Morina (Bielefeld): „Demokratie ist keine Geste der Staatsmacht gegenüber der Gesellschaft.“ Zur Analyse des Demokratie- und Bürgerselbstverständnisses im geteilten Deutschland anhand von Bürgerbriefen aus den 1980er-Jahren

15.30 Uhr | Kaffeepause

16.00 Uhr
4. Sektion: Demokratieaufbau in der frühen Bundesrepublik
(Moderation: Dr. Thomas Hertfelder)

  • Dr. Ernst Wolfgang Becker (Stuttgart): Demokratie als Lebensform? Bürgerbriefe an Theodor Heuss und Konrad Adenauer
  • Dr. Jörg Neuheiser (San Diego): Arbeitslosigkeit, Doppelverdiener und die NS-Vergangenheit – Bürgerbriefe an die Bundesregierung und die vergessene Krise der Arbeit in Westdeutschland 1949–1955
  • Dr. Claudia Gatzka (Freiburg): Lokale Partizipation am „modernen“ Deutschland. Hamburger Wähler im Briefwechsel mit den „Volksparteien“

18.00 Uhr | Abendessen

19.00 Uhr
Öffentliche Abendveranstaltung (Keine Online-Teilnahme möglich)

Podium:
Politische Kommunikation in Zeiten von Social Media und Populismus

(in Kooperation mit der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart)

  • Antje Siebenmorgen (Bundespräsidialamt)
  • Dr. Andrej Stephan (Mitarbeiter von MdB Dr. Karamba Diaby)

Moderation: Prof. Dr. Frank Bösch (Potsdam)

 

Freitag, 20. Mai 2022

9.00 Uhr
5. Sektion: Bürgerbriefe in polarisierten Zeiten
(Moderation: Dr. Gudrun Kruip)

  • Prof. Dr. Daniela Münkel (Berlin): Briefe ohne Antwort. Die Stasi und Zuschriften von DDR-Bürgern an Bundespolitiker
  • PD Dr. Bernhard Gotto (München): Rechts innen. Alltagsrassismus und „Ausländerpolitik“ in der Bürgerkommunikation von Franz Josef Strauß von den 1960er- bis 1980er-Jahren

10.30 Uhr | Kaffeepause

10.45 Uhr
6. Sektion: Im Zeitalter von Protestbewegungen und Bürgerinitiativen
(Moderation: Prof. Dr. Frank Bösch)

  • Prof. Dr. Philipp Gassert (Mannheim): Zuschriften an die baden-württembergischen Ministerpräsidenten
  • Prof. Dr. Silke Mende (Münster): „von ganzem Herzen an alle Sonnenblumen und Igel Menschen“. Grün-alternative Kommunikationsformen

12.15 Uhr | Mittagessen

13.15 Uhr
7. Sektion: Die Bürger und die europäische und deutsche Einheit
(Moderation: N.N.)

  • Dr. Thomas Süsler-Rohringer (München): Petitionen an das Europäische Parlament. Annäherungen an Prozesse der Europäisierung „von unten“
  • Helena Gand (Berlin): Emotionen und Zukunftserwartungen in Bürgerbriefen zur Deutschen Einheit

14.45 - 15:15 Uhr
Abschlussdiskussion

Veranstaltungsort

Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus
70599 Stuttgart

Kontakt und Anmeldung

Für eine Präsenzteilnahme vor Ort oder eine Online-Teilnahme wenden Sie sich bitte an:
Dr. Ernst Wolfgang Becker, E-Mail: becker [at] stiftung-heuss-haus.de (subject: Konferenz%20%22Vom%20Bittbrief%20zur%20Hassmail%22)

Eine Anmeldung ist bis zum 12. Mai 2022 möglich.
Bei einer Online-Teilnahme wird der Link vor Tagungsbeginn zugeschickt.

Kontakt
Dr. Ernst Wolfgang Becker
Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus
E-Mail: becker [at] stiftung-heuss-haus.de

Kontakt für das ZZF Potsdam:
Prof. Dr. Frank Bösch
Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
E-Mail: boesch [at] zzf-potsdam.de
 

 

Veranstaltungen

Vom Bittbrief zur Hassmail? Bürgerbriefe als politische Kommunikationsform (Theodor-Heuss-Kolloquium 2022)

Konferenz
Datum: 19.05.2022 to 20.05.2022
Ort: Stuttgart / Online

Beginn der Konferenz: Donnerstag, 19. Mai 2022, 9:00 Uhr

Veranstalter:
Dr. Ernst Wolfgang Becker, Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus
Prof. Dr. Frank Bösch, Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF)

Politikerinnen und Politiker erhielten bereits im 19. und 20. Jahrhundert jährlich hunderte, mitunter tausende Briefe von Bürgerinnen und Bürgern, die meist auch eine Antwort bekamen. Das Theodor-Heuss-Kolloquium 2022 untersucht diese bislang wenig beachtete direkte politische Kommunikation. Die Tagung fragt, wie sich deren Inhalte und Form seit dem Kaiserreich in Demokratie und Diktatur wandelten und was für ein politisches Selbstverständnis hierin zum Ausdruck kam.

Das Theodor-Heuss-Kolloquium 2022 sucht mit seinem Fokus auf Bürgerbriefe in mehrfacher Hinsicht einen neuen Ansatz für die Geschichte der politischen Kommunikation und Demokratie. Während für gewöhnlich die Kommunikation der Medien und Eliten betrachtet wird, blickt die Konferenz auf einen „von unten“ angeregten politischen Austausch. Im Unterschied zur veröffentlichten Meinung rücken damit individuelle Positionen und Haltungen in den Vordergrund. Sie zeigen etwa, wie und woran Kritik geübt wurde und welche Erwartungen sich an Politikerinnen und Politiker sowie an staatliche Behörden richteten, um Abhilfe bei Problemen zu schaffen.

Darüber hinaus geben die Antworten auf die Briefe Auskunft darüber, wie Politiker und die Bürokratie ihre Arbeit und die Leitlinien ihrer Behörden und Parteien bei individuellen Problemen rechtfertigten und wie sie gegebenenfalls aus Einzelfällen Lösungen entwickelten. Da Politiker mit der Veröffentlichung ihrer Antworten rechnen mussten, sind die Schreiben als ein Spagat zwischen individueller Positionierung und genereller Amts- und Parteiräson sowie als eine besondere Form der Bindung an die Bürger anzusehen, die diese Schreiben aufbewahrten und über sie berichteten.

Die Tagung konzentriert sich auf Schreiben von Privatpersonen, die nicht als direkte Vertreter einer Interessengruppe auftraten und sich an einzelne Politiker und Politikerinnen oder Ministerien wandten. Die Beiträge umfassen den Zeitraum von Mitte des 19. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts und konzentrieren sich vor allem auf Deutschland, die DDR und die Bundesrepublik. Sie beschäftigen sich u. a. mit den Motiven für die Schreiben, mit den Teilnehmern und Teilnehmerinnen sowie den Praktiken der Kommunikation, mit den Reaktionen von politischer Seite und schließlich mit dem Staats-, Politik- und Demokratieverständnis, das in dieser Kommunikationsform deutlich wird.


PROGRAMM

Donnerstag, 19. Mai 2022

9.00 Uhr
Dr. Thomas Hertfelder (Stuttgart): Begrüßung

Einführung
Prof. Dr. Frank Bösch (Potsdam): Im Dialog mit dem Volk. Bürgerbriefe als Form der politischen Kommunikation

9.30 Uhr
1. Sektion: Bürgerbriefe und Demokratisierung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik
(Moderation: Dr. Ernst Wolfgang Becker)

  • Prof. Dr. Hedwig Richter (München): Devotion und Renitenz. Unklare Verhältnisse in Bürgerbriefen von 1848 bis zum Ersten Weltkrieg
  • Dr. Volker Köhler (Darmstadt): Vom Parteigenossen zum Minister. Eingaben und Bittbriefe an sozialdemokratische Amtsträger in Sachsen (1918–1925)

11.00 Uhr | Pause

11.30 Uhr
2. Sektion: Bürgerprotest, Lobpreisung und Denunziation im Nationalsozialismus
(Moderation: Prof. Dr. Ewald Grothe)

  • Prof. Dr. Wolfram Pyta (Stuttgart): Bürgerbriefe an Hitler
  • Dr. Stefan Scholl (Mannheim): Einschreibung. Die sprachliche Herstellung von Zugehörigkeit in Bittgesuchen und Beschwerdeschreiben während des Nationalsozialismus

13.00 Uhr | Mittagessen

14.00 Uhr
3. Sektion: Eingaben als Demokratieersatz? Bürgerbriefe in der DDR
(Moderation: Dr. Thorsten Holzhauser)

  • Prof. Dr. Martin Sabrow (Potsdam): Konsens und Kritik. Bürgerbriefe an Erich Honecker
  • Prof. Dr. Christina Morina (Bielefeld): „Demokratie ist keine Geste der Staatsmacht gegenüber der Gesellschaft.“ Zur Analyse des Demokratie- und Bürgerselbstverständnisses im geteilten Deutschland anhand von Bürgerbriefen aus den 1980er-Jahren

15.30 Uhr | Kaffeepause

16.00 Uhr
4. Sektion: Demokratieaufbau in der frühen Bundesrepublik
(Moderation: Dr. Thomas Hertfelder)

  • Dr. Ernst Wolfgang Becker (Stuttgart): Demokratie als Lebensform? Bürgerbriefe an Theodor Heuss und Konrad Adenauer
  • Dr. Jörg Neuheiser (San Diego): Arbeitslosigkeit, Doppelverdiener und die NS-Vergangenheit – Bürgerbriefe an die Bundesregierung und die vergessene Krise der Arbeit in Westdeutschland 1949–1955
  • Dr. Claudia Gatzka (Freiburg): Lokale Partizipation am „modernen“ Deutschland. Hamburger Wähler im Briefwechsel mit den „Volksparteien“

18.00 Uhr | Abendessen

19.00 Uhr
Öffentliche Abendveranstaltung (Keine Online-Teilnahme möglich)

Podium:
Politische Kommunikation in Zeiten von Social Media und Populismus

(in Kooperation mit der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart)

  • Antje Siebenmorgen (Bundespräsidialamt)
  • Dr. Andrej Stephan (Mitarbeiter von MdB Dr. Karamba Diaby)

Moderation: Prof. Dr. Frank Bösch (Potsdam)

 

Freitag, 20. Mai 2022

9.00 Uhr
5. Sektion: Bürgerbriefe in polarisierten Zeiten
(Moderation: Dr. Gudrun Kruip)

  • Prof. Dr. Daniela Münkel (Berlin): Briefe ohne Antwort. Die Stasi und Zuschriften von DDR-Bürgern an Bundespolitiker
  • PD Dr. Bernhard Gotto (München): Rechts innen. Alltagsrassismus und „Ausländerpolitik“ in der Bürgerkommunikation von Franz Josef Strauß von den 1960er- bis 1980er-Jahren

10.30 Uhr | Kaffeepause

10.45 Uhr
6. Sektion: Im Zeitalter von Protestbewegungen und Bürgerinitiativen
(Moderation: Prof. Dr. Frank Bösch)

  • Prof. Dr. Philipp Gassert (Mannheim): Zuschriften an die baden-württembergischen Ministerpräsidenten
  • Prof. Dr. Silke Mende (Münster): „von ganzem Herzen an alle Sonnenblumen und Igel Menschen“. Grün-alternative Kommunikationsformen

12.15 Uhr | Mittagessen

13.15 Uhr
7. Sektion: Die Bürger und die europäische und deutsche Einheit
(Moderation: N.N.)

  • Dr. Thomas Süsler-Rohringer (München): Petitionen an das Europäische Parlament. Annäherungen an Prozesse der Europäisierung „von unten“
  • Helena Gand (Berlin): Emotionen und Zukunftserwartungen in Bürgerbriefen zur Deutschen Einheit

14.45 - 15:15 Uhr
Abschlussdiskussion

Veranstaltungsort

Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus
70599 Stuttgart

Kontakt und Anmeldung

Für eine Präsenzteilnahme vor Ort oder eine Online-Teilnahme wenden Sie sich bitte an:
Dr. Ernst Wolfgang Becker, E-Mail: becker [at] stiftung-heuss-haus.de (subject: Konferenz%20%22Vom%20Bittbrief%20zur%20Hassmail%22)

Eine Anmeldung ist bis zum 12. Mai 2022 möglich.
Bei einer Online-Teilnahme wird der Link vor Tagungsbeginn zugeschickt.

Kontakt
Dr. Ernst Wolfgang Becker
Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus
E-Mail: becker [at] stiftung-heuss-haus.de

Kontakt für das ZZF Potsdam:
Prof. Dr. Frank Bösch
Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
E-Mail: boesch [at] zzf-potsdam.de
 

 

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