Logik und Lücke. Zur Konstruktion des Authentischen in Archiven und Sammlungen

Konferenz
Datum: 04.04.2019 to 05.04.2019
Ort: München

Konferenz des Leibniz-Forschungsverbunds Historische Authentizität

Konzeption:
Andreas Ludwig, Achim Saupe (Leibniz‐Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam)
Wilhelm Füßl, Matthias Röschner (Deutsches Museum, München)
Michael Farrenkopf, Stefan Przigoda (Deutsches Bergbau‐Museum Bochum)
Elke Bauer, Antje Coburger (Herder‐Institut für historische Ostmitteleuropaforschung, Marburg)
Annette Frey, Ute Klatt (Römisch‐Germanisches Zentralmuseum, Mainz)

 

Wissensstrukturierung, Machtsicherung, Obsession oder Neugier: Sammlungslogiken sind Ausdruck unterschiedlicher Formen von „Weltaneignung“ und zugleich zeitlich und institutionell strukturierte Formen von Gedächtnisbildung. Das Sammeln in Museen, Archiven und Forschungseinrichtungen hat sich dabei an unterschiedlichen Zielvorstellungen orientiert: an einer Sammlungssystematik als (selektives) Abbild, als Streben nach Vollständigkeit oder Repräsentativität oder aber als Bewahrung des Typischen bzw. Besonderen. Sammlungslogiken können sich dabei an Objektivität, Relevanz und Tradition oder an Individualität und Erinnerung orientieren. Sie können „magische Enzyklopädien“ (W.  Benjamin) bilden, können kontinuierlich, projektbezogen und begrenzt, oder registraturbasiert und nach fachwissenschaftlichen Anforderungen erfolgen.
Mit der Anlage von Sammlungen in institutionellen Kontexten ist die Behauptung von Authentizität verbunden. Dies gilt nicht nur für das Einzelobjekt, das durch Urheberschaft, Provenienz, Verankerung in Zeit und Ort unter dem Blickwinkel seiner Echtheit wahrgenommen wird, sondern auch für die Sammlung insgesamt, die als Ergebnis kultureller, gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Zuschreibung einen Authentisierungsprozess sui generis darstellt.
Anhand exemplarischer Zugänge in vier Panels will die Tagung deutlich machen, wie politische, gesellschaftliche, institutionelle und technische Faktoren sowie ein wechselndes Geschichts‐ und Wissenschaftsverständnis Sammlungsstrategien und ‐ziele beeinflusst haben.

Programmflyer der Konferenz (pdf)

Programm

Donnerstag, 4. April 2019

14.00 – 14.30 Uhr
Begrüßung und Einführung

  • Wilhelm Füßl (Deutsches Museum, München)
  • Andreas Ludwig (Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam)
  • Achim Saupe (Leibniz‐Forschungsverbund Historische Authentizität)

14.30 – 16.15 Uhr
Panel 1: Sammlungs‐ und Ordnungslogiken
Moderation: Andreas Ludwig (Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam)

  • Birgit Jooss (documenta archiv, Kassel): Archiv oder Sammlung – Archivale oder Kunstwerk? Aus der Praxis in Kunstarchiven
  • Susanne Freund (Fachhochschule Potsdam): Historische Authentizität in Lehre und Forschung des FB Informationswissenschaften der FH Potsdam
  • Ute Klatt (Römisch‐Germanisches Zentralmuseum, Mainz): Theorie und Praxis. Von der archäologischen Theorie zur Logik des Sammlungsaufbaus im Bildarchiv des RGZM

Kaffeepause

17.00 – 18.45 Uhr
Panel 2: „Verlust“ und „Lücke“ als Kategorien von „Authentizität“
Moderation: Elke Bauer (Herder‐Institut für historische Ostmitteleuropaforschung, Marburg)

  • Dietmar Schenk (Universität der Künste, Berlin): Archivarische Kassationspraktiken und ihre Begründung
  • Wilhelm Füßl (Deutsches Museum, München): Überlieferungslücken, ihre Motive und Auswirkungen auf die kulturelle Überlieferung und die Geschichtswissenschaft
  • Claus Ludl (Deutsches Museum, München): „Reinigungsprozesse“ und Bestandbildung im Nachlass von Gernot Zippe (1917‐2008)

19.30 Uhr Keynote
Helmuth Trischler (Deutsches Museum, München):
Sammlungslogiken in Archiven, Bibliotheken und Museen – Realitäten und Konstruktionen

Freitag, 5. April 2019

9.00 – 11.15 Uhr
Panel 3: Umbruchssammlungen
Moderation: Achim Saupe (Leibniz‐Forschungsverbund Historische Authentizität)

  • Peter Ulrich Weiß (Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam): Ordnung und Diktatur. Politisch‐ideologische Einflussnahmen auf Archivierungsprinzipien im Reichs‐ und Deutschen Zentralarchiv der DDR
  • Kai Drewes (Leibniz‐Institut für Raumbezogene Sozialforschung, Erkner): Der Architekturhistoriker Kurt Junghanns und die Planungen für ein DDR‐Architekturmuseum
  • Michael Farrenkopf (Deutsches Bergbau‐Museum Bochum): Auslauf einer Branche – Eine Zäsur für das archivierte Bergbauerbe als Authentizitätsinstanz?
  • Jürgen Bacia (Archiv für alternatives Schrifttum, Duisburg): Unsere Geschichte gehört uns! Die Archive der Neuen Sozialen Bewegungen

11.30 – 12.30 Uhr
Archiv‐ und Ausstellungsbesichtigung

Mittagessen

13.30 – 15.15 Uhr
Panel 4: Authentisierungspraxen zwischen Materialität, Kopie und Digitalität
Moderation: Michael Farrenkopf (Deutsches Bergbau‐Museum Bochum)

  • Margit Ksoll‐Marcon (Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, München): Authentizität digitaler Archivierungen
  • Annette Frey (Römisch‐Germanisches Zentralmuseum, Mainz): Frühe Sammlungslogik in der Kopiensammlung des RGZM
  • Elke Bauer (Herder‐Institut für historische Ostmitteleuropaforschung, Marburg): Pertinenz und Provenienz oder die Vereinbarkeit des Unvereinbaren. Bildarchive und die Chance des digitalen Wandels

15.15 – 15.45 Uhr
Abschlussdiskussion
 

Kurzbeschreibungen der Panels

Panel 1: Sammlungs‐ und Ordnungslogiken
In zahlreichen Archiven existieren Sammlungen, die teilweise schon im 19. Jahrhundert zur besseren Aufbewahrung thematisch gruppiert oder als geschlossene Sammlungen übernommen wurden – Urkundenselekte aus verschiedenen Provenienzen, Foto‐, Karten‐, Autografen‐ und Handschriftensammlungen etc. Die Archive stehen vor der Frage, inwieweit Teile dieser Sammlungen nach dem Provenienzprinzip sinnvoll in den ursprünglichen Entstehungszusammenhang
zurückgeführt werden können. Denn auch zeitbedingte Ordnungen und Sammlungszusammenhänge gehören zur Authentizität der Archivalien, die es zu erkennen und zu dokumentieren gilt. Das Panel soll darüber hinaus auch ermöglichen, Recherchezugänge zu reflektieren: Vom Findbuch über den Katalog zur Schaffung von „Meta‐Archiven“ bzw. übergreifenden Recherchesystemen.

Panel 2: „Verlust“ und „Lücke“ als Kategorien von „Authentizität“
Authentizität bestimmt sich in der Regel an dem Vorhandensein von Quellen, an denen die Aussagekraft eines Faktums überprüft werden kann. Was aber ist mit Quellen, die nicht überliefert sind oder die nicht gesammelt wurden? „Lücken“ kommen in der archivischen Überlieferung auf unterschiedliche Weise zustande. Quellen gelangen unvollständig ins Archiv, weil der Bestandsbildner schon vorher eingegriffen und „Unwichtiges“ aussortiert hat, Archivare bewerten und kassieren, Wissenschaftler benutzen nur Teile der vorhandenen Überlieferung. Gerade im Sammlungsbereich, insbesondere bei Nachlässen, erfolgen Eingriffe durch den Nachlasser selbst oder seine Familienangehörigen, manchmal absichtlich, um ein geschöntes Bild für die Nachwelt vorzustrukturieren, manchmal aus Unkenntnis über den Wert der Quelle. In gleicher Weise wird in Museen selektiv gesammelt bzw. bewusst nicht gesammelt, indem nach Wissensstand, disziplinären Grenzziehungen, institutionellem Selbstverständnis sowie, in kulturwissenschaftlichen Museen, durch nachträgliches Sammeln Überlieferungslücken hervorgebracht werden. Wie können diese Lücken und Verluste überhaupt sicher erkannt und durch historische bzw. archivische Methoden gefüllt werden? Wie kann man mit dem derart „Vergessenen“ leben? Schließlich soll das Panel ermöglichen, Prinzipien der Kassation, der Deakzession bzw. des Entsammelns und damit des geregelten Verlusts zu reflektieren.

Panel 3: Umbruchssammlungen
Sammlungen in Museen, Archiven, Forschungseinrichtungen und Universitäten gelten als auf Dauer gestellte Repositorien materieller, bildlicher und textlicher Quellen, deren Relevanz in jüngerer Zeit unter dem Stichwort der Wissensdinge verstärkt wahrgenommen wird, nachdem sie zuvor jahrzehntelang vernachlässigt worden waren. Archive und Sammlungen werden, so die These des Panels, aufgrund eines jeweils aktuellen Bezugsrahmens angelegt. Man sammelt, um neuen Forschungsfragen nachzugehen, weil auf augenscheinliche kulturelle, politische und gesellschaftliche Veränderungen reagiert wird. Das Panel will sich deshalb mit Umbruchssammlungen in einem doppelten Sinne beschäftigen: Einerseits Sammlungsgründungen, die auf derartige Veränderungen reagieren, andererseits Umbrüche und Neuausrichtungen in bestehenden Sammlungen, die ebenso auf gesellschaftlichen Änderungen, aber auch institutionellen und personellen Veränderungen beruhen können. In diesem Zusammenhang können sowohl klassische Fragen nach der Macht des Archivs gestellt werden, als auch Perspektiven eingenommen werden, die nach den Wechselwirkungen von „Leben und Wissen“ fahnden: Sowohl der biografische Einfluss auf Archive und Sammlungen, als auch der Einfluss von Nachlässen auf die Konstruktion der „authentischen Person“.

Panel 4: Authentisierungspraxen zwischen Materialität, Kopie und Digitalität
Auch im digitalen Zeitalter mit den Möglichkeiten der digitalen Speicherung, Reproduktion, Vernetzung und Verfügbarmachung werden Archiv‐ und Sammlungsgut weitgehend physisch überliefert und gesichert. Das digitale Archiv geht einerseits mit einer Delokalisierung und Entmaterialisierung der Forschung, aber auch einer gleichzeitigen Rückkehr zum Objekt und Wertschätzung des Materiellen einher. Befördert die Digitalisierung und Reproduktion die Bewahrung des Materiellen – oder stellt sie sie in Frage? Wie verändert sich das Verständnis des Originalen und Authentischen, des Sammlungs‐ und Archivguts im digitalen Zeitalter? Das Panel fragt nach Auswirkungen, die mit der Entmaterialisierung und Delokalisierung des Archivstudiums einhergehen. Was bedeutet es, wenn man nicht mehr Originale auf‐ und untersucht, seien es dreidimensionale Objekte oder auch sogenannte „Flachware“? Was ist der epistemische Status des Digitalisats – und besteht ein Unterschied zwischen Retrodigitalisaten und archivierten Daten als eigenständigem „Sammlungsgut“? Produzieren digitale Quellen neue Sammlungslogiken? Welche neuen Authentifizierungspraxen ermöglicht die Digitalisierung, wenn etwa über Metadaten neue Zugriffs‐ und Vernetzungsmöglichkeiten geschaffen und neue Forschungsfragen zur Materialität des Archivguts, dem Aufbau von Sammlungen und zu Sammlungszusammenhängen eröffnet werden? Kann man von einer Entgrenzung des Sammelns als „Weltaneignung“ sprechen?

 

Veranstaltungsort

Deutsches Museum
Kerschensteiner Kolleg
Bibliotheksgebäude
Museumsinsel 1
80538 München

 

 

Kontakt und Anmeldung

Bitte melden Sie sich bis zum 28.3.2019 unter archiv [at] deutsches-museum.de für die Konferenz an.
Ein Anmeldeformular sowie weitere Informationen finden Sie unter www.leibniz-historische-authentizitaet.de.

Kontakt:
Dr. Achim Saupe
Leibniz Forschungsverbund Historische Authentizität/ZZF Potsdam
E-Mail: saupe [at] zzf-potsdam.de

 

 

 

Veranstaltungen

Logik und Lücke. Zur Konstruktion des Authentischen in Archiven und Sammlungen

Konferenz
Datum: 04.04.2019 to 05.04.2019
Ort: München

Konferenz des Leibniz-Forschungsverbunds Historische Authentizität

Konzeption:
Andreas Ludwig, Achim Saupe (Leibniz‐Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam)
Wilhelm Füßl, Matthias Röschner (Deutsches Museum, München)
Michael Farrenkopf, Stefan Przigoda (Deutsches Bergbau‐Museum Bochum)
Elke Bauer, Antje Coburger (Herder‐Institut für historische Ostmitteleuropaforschung, Marburg)
Annette Frey, Ute Klatt (Römisch‐Germanisches Zentralmuseum, Mainz)

 

Wissensstrukturierung, Machtsicherung, Obsession oder Neugier: Sammlungslogiken sind Ausdruck unterschiedlicher Formen von „Weltaneignung“ und zugleich zeitlich und institutionell strukturierte Formen von Gedächtnisbildung. Das Sammeln in Museen, Archiven und Forschungseinrichtungen hat sich dabei an unterschiedlichen Zielvorstellungen orientiert: an einer Sammlungssystematik als (selektives) Abbild, als Streben nach Vollständigkeit oder Repräsentativität oder aber als Bewahrung des Typischen bzw. Besonderen. Sammlungslogiken können sich dabei an Objektivität, Relevanz und Tradition oder an Individualität und Erinnerung orientieren. Sie können „magische Enzyklopädien“ (W.  Benjamin) bilden, können kontinuierlich, projektbezogen und begrenzt, oder registraturbasiert und nach fachwissenschaftlichen Anforderungen erfolgen.
Mit der Anlage von Sammlungen in institutionellen Kontexten ist die Behauptung von Authentizität verbunden. Dies gilt nicht nur für das Einzelobjekt, das durch Urheberschaft, Provenienz, Verankerung in Zeit und Ort unter dem Blickwinkel seiner Echtheit wahrgenommen wird, sondern auch für die Sammlung insgesamt, die als Ergebnis kultureller, gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Zuschreibung einen Authentisierungsprozess sui generis darstellt.
Anhand exemplarischer Zugänge in vier Panels will die Tagung deutlich machen, wie politische, gesellschaftliche, institutionelle und technische Faktoren sowie ein wechselndes Geschichts‐ und Wissenschaftsverständnis Sammlungsstrategien und ‐ziele beeinflusst haben.

Programmflyer der Konferenz (pdf)

Programm

Donnerstag, 4. April 2019

14.00 – 14.30 Uhr
Begrüßung und Einführung

  • Wilhelm Füßl (Deutsches Museum, München)
  • Andreas Ludwig (Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam)
  • Achim Saupe (Leibniz‐Forschungsverbund Historische Authentizität)

14.30 – 16.15 Uhr
Panel 1: Sammlungs‐ und Ordnungslogiken
Moderation: Andreas Ludwig (Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam)

  • Birgit Jooss (documenta archiv, Kassel): Archiv oder Sammlung – Archivale oder Kunstwerk? Aus der Praxis in Kunstarchiven
  • Susanne Freund (Fachhochschule Potsdam): Historische Authentizität in Lehre und Forschung des FB Informationswissenschaften der FH Potsdam
  • Ute Klatt (Römisch‐Germanisches Zentralmuseum, Mainz): Theorie und Praxis. Von der archäologischen Theorie zur Logik des Sammlungsaufbaus im Bildarchiv des RGZM

Kaffeepause

17.00 – 18.45 Uhr
Panel 2: „Verlust“ und „Lücke“ als Kategorien von „Authentizität“
Moderation: Elke Bauer (Herder‐Institut für historische Ostmitteleuropaforschung, Marburg)

  • Dietmar Schenk (Universität der Künste, Berlin): Archivarische Kassationspraktiken und ihre Begründung
  • Wilhelm Füßl (Deutsches Museum, München): Überlieferungslücken, ihre Motive und Auswirkungen auf die kulturelle Überlieferung und die Geschichtswissenschaft
  • Claus Ludl (Deutsches Museum, München): „Reinigungsprozesse“ und Bestandbildung im Nachlass von Gernot Zippe (1917‐2008)

19.30 Uhr Keynote
Helmuth Trischler (Deutsches Museum, München):
Sammlungslogiken in Archiven, Bibliotheken und Museen – Realitäten und Konstruktionen

Freitag, 5. April 2019

9.00 – 11.15 Uhr
Panel 3: Umbruchssammlungen
Moderation: Achim Saupe (Leibniz‐Forschungsverbund Historische Authentizität)

  • Peter Ulrich Weiß (Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam): Ordnung und Diktatur. Politisch‐ideologische Einflussnahmen auf Archivierungsprinzipien im Reichs‐ und Deutschen Zentralarchiv der DDR
  • Kai Drewes (Leibniz‐Institut für Raumbezogene Sozialforschung, Erkner): Der Architekturhistoriker Kurt Junghanns und die Planungen für ein DDR‐Architekturmuseum
  • Michael Farrenkopf (Deutsches Bergbau‐Museum Bochum): Auslauf einer Branche – Eine Zäsur für das archivierte Bergbauerbe als Authentizitätsinstanz?
  • Jürgen Bacia (Archiv für alternatives Schrifttum, Duisburg): Unsere Geschichte gehört uns! Die Archive der Neuen Sozialen Bewegungen

11.30 – 12.30 Uhr
Archiv‐ und Ausstellungsbesichtigung

Mittagessen

13.30 – 15.15 Uhr
Panel 4: Authentisierungspraxen zwischen Materialität, Kopie und Digitalität
Moderation: Michael Farrenkopf (Deutsches Bergbau‐Museum Bochum)

  • Margit Ksoll‐Marcon (Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, München): Authentizität digitaler Archivierungen
  • Annette Frey (Römisch‐Germanisches Zentralmuseum, Mainz): Frühe Sammlungslogik in der Kopiensammlung des RGZM
  • Elke Bauer (Herder‐Institut für historische Ostmitteleuropaforschung, Marburg): Pertinenz und Provenienz oder die Vereinbarkeit des Unvereinbaren. Bildarchive und die Chance des digitalen Wandels

15.15 – 15.45 Uhr
Abschlussdiskussion
 

Kurzbeschreibungen der Panels

Panel 1: Sammlungs‐ und Ordnungslogiken
In zahlreichen Archiven existieren Sammlungen, die teilweise schon im 19. Jahrhundert zur besseren Aufbewahrung thematisch gruppiert oder als geschlossene Sammlungen übernommen wurden – Urkundenselekte aus verschiedenen Provenienzen, Foto‐, Karten‐, Autografen‐ und Handschriftensammlungen etc. Die Archive stehen vor der Frage, inwieweit Teile dieser Sammlungen nach dem Provenienzprinzip sinnvoll in den ursprünglichen Entstehungszusammenhang
zurückgeführt werden können. Denn auch zeitbedingte Ordnungen und Sammlungszusammenhänge gehören zur Authentizität der Archivalien, die es zu erkennen und zu dokumentieren gilt. Das Panel soll darüber hinaus auch ermöglichen, Recherchezugänge zu reflektieren: Vom Findbuch über den Katalog zur Schaffung von „Meta‐Archiven“ bzw. übergreifenden Recherchesystemen.

Panel 2: „Verlust“ und „Lücke“ als Kategorien von „Authentizität“
Authentizität bestimmt sich in der Regel an dem Vorhandensein von Quellen, an denen die Aussagekraft eines Faktums überprüft werden kann. Was aber ist mit Quellen, die nicht überliefert sind oder die nicht gesammelt wurden? „Lücken“ kommen in der archivischen Überlieferung auf unterschiedliche Weise zustande. Quellen gelangen unvollständig ins Archiv, weil der Bestandsbildner schon vorher eingegriffen und „Unwichtiges“ aussortiert hat, Archivare bewerten und kassieren, Wissenschaftler benutzen nur Teile der vorhandenen Überlieferung. Gerade im Sammlungsbereich, insbesondere bei Nachlässen, erfolgen Eingriffe durch den Nachlasser selbst oder seine Familienangehörigen, manchmal absichtlich, um ein geschöntes Bild für die Nachwelt vorzustrukturieren, manchmal aus Unkenntnis über den Wert der Quelle. In gleicher Weise wird in Museen selektiv gesammelt bzw. bewusst nicht gesammelt, indem nach Wissensstand, disziplinären Grenzziehungen, institutionellem Selbstverständnis sowie, in kulturwissenschaftlichen Museen, durch nachträgliches Sammeln Überlieferungslücken hervorgebracht werden. Wie können diese Lücken und Verluste überhaupt sicher erkannt und durch historische bzw. archivische Methoden gefüllt werden? Wie kann man mit dem derart „Vergessenen“ leben? Schließlich soll das Panel ermöglichen, Prinzipien der Kassation, der Deakzession bzw. des Entsammelns und damit des geregelten Verlusts zu reflektieren.

Panel 3: Umbruchssammlungen
Sammlungen in Museen, Archiven, Forschungseinrichtungen und Universitäten gelten als auf Dauer gestellte Repositorien materieller, bildlicher und textlicher Quellen, deren Relevanz in jüngerer Zeit unter dem Stichwort der Wissensdinge verstärkt wahrgenommen wird, nachdem sie zuvor jahrzehntelang vernachlässigt worden waren. Archive und Sammlungen werden, so die These des Panels, aufgrund eines jeweils aktuellen Bezugsrahmens angelegt. Man sammelt, um neuen Forschungsfragen nachzugehen, weil auf augenscheinliche kulturelle, politische und gesellschaftliche Veränderungen reagiert wird. Das Panel will sich deshalb mit Umbruchssammlungen in einem doppelten Sinne beschäftigen: Einerseits Sammlungsgründungen, die auf derartige Veränderungen reagieren, andererseits Umbrüche und Neuausrichtungen in bestehenden Sammlungen, die ebenso auf gesellschaftlichen Änderungen, aber auch institutionellen und personellen Veränderungen beruhen können. In diesem Zusammenhang können sowohl klassische Fragen nach der Macht des Archivs gestellt werden, als auch Perspektiven eingenommen werden, die nach den Wechselwirkungen von „Leben und Wissen“ fahnden: Sowohl der biografische Einfluss auf Archive und Sammlungen, als auch der Einfluss von Nachlässen auf die Konstruktion der „authentischen Person“.

Panel 4: Authentisierungspraxen zwischen Materialität, Kopie und Digitalität
Auch im digitalen Zeitalter mit den Möglichkeiten der digitalen Speicherung, Reproduktion, Vernetzung und Verfügbarmachung werden Archiv‐ und Sammlungsgut weitgehend physisch überliefert und gesichert. Das digitale Archiv geht einerseits mit einer Delokalisierung und Entmaterialisierung der Forschung, aber auch einer gleichzeitigen Rückkehr zum Objekt und Wertschätzung des Materiellen einher. Befördert die Digitalisierung und Reproduktion die Bewahrung des Materiellen – oder stellt sie sie in Frage? Wie verändert sich das Verständnis des Originalen und Authentischen, des Sammlungs‐ und Archivguts im digitalen Zeitalter? Das Panel fragt nach Auswirkungen, die mit der Entmaterialisierung und Delokalisierung des Archivstudiums einhergehen. Was bedeutet es, wenn man nicht mehr Originale auf‐ und untersucht, seien es dreidimensionale Objekte oder auch sogenannte „Flachware“? Was ist der epistemische Status des Digitalisats – und besteht ein Unterschied zwischen Retrodigitalisaten und archivierten Daten als eigenständigem „Sammlungsgut“? Produzieren digitale Quellen neue Sammlungslogiken? Welche neuen Authentifizierungspraxen ermöglicht die Digitalisierung, wenn etwa über Metadaten neue Zugriffs‐ und Vernetzungsmöglichkeiten geschaffen und neue Forschungsfragen zur Materialität des Archivguts, dem Aufbau von Sammlungen und zu Sammlungszusammenhängen eröffnet werden? Kann man von einer Entgrenzung des Sammelns als „Weltaneignung“ sprechen?

 

Veranstaltungsort

Deutsches Museum
Kerschensteiner Kolleg
Bibliotheksgebäude
Museumsinsel 1
80538 München

 

 

Kontakt und Anmeldung

Bitte melden Sie sich bis zum 28.3.2019 unter archiv [at] deutsches-museum.de für die Konferenz an.
Ein Anmeldeformular sowie weitere Informationen finden Sie unter www.leibniz-historische-authentizitaet.de.

Kontakt:
Dr. Achim Saupe
Leibniz Forschungsverbund Historische Authentizität/ZZF Potsdam
E-Mail: saupe [at] zzf-potsdam.de

 

 

 

Veranstaltungen