
Till Düppe
L'Université du Québec à Montréal (UQAM)
Canada
E-Mail: duppe.till [at] uqam.ca
Projekt
DDR Ökonomen im Lichte der Staatssicherheit
Im Mittelpunkt der Forschungen am ZZF stehen Archiv-Arbeiten zu zwei DDR Ökonomen am International Institute for Applied Systems Analysis (IASSA) Harry Mayer und Heinz-Dieter Haustein. Zudem soll in weiteren Projekten ein Artikel (Titel „Eine Schau Debatte: Wie die Stasi den Revisionismus erfand“) sowie ein Aufsatz zur politischen Epistemologie ökonometrischer Methoden erarbeitet werden.
Diese Forschung trägt zur Geschichte der Wirtschaftswissenschaften im 20. Jahrhundert bei, indem sie einen bedeutenden, aber weitgehend vernachlässigten politischen Kontext analysiert, in dem wirtschaftliches Wissen entstanden ist: den Staatssozialismus. Ein Großteil der Geschichte des ökonomischen Denkens des letzten Jahrhunderts zielt auf die Förderung wissenschaftlicher Rationalität in wirtschaftlichen und politischen Institutionen ab, eine Hoffnung, die gerade im sozialistischen Kontext einer Planwirtschaft nach Stalin einen Höhepunkt erreichte. Doch wurde umgekehrt wissenschaftliche Rationalität auch durch ideologische Prämissen und Willkür des Parteiregimes begrenzt, was zu Zensur und Selbstzensur führte. Das allgemeine Ziel dieser Forschung besteht darin, die Komplexität des wirtschaftlichen Wissens in der DDR aufzuweisen. Wie haben Ökonomen auf das sozialistische Regime reagiert, sich dagegen gewandt und es stabilisiert? Welche Formen von wirtschaftlichem Wissen entstanden unter dem sozialistischen Imperativ?
Um solche Fragen beantworten zu können, soll insbesondere das Verhältnis der Ökonomen der Akademie der Wissenschaften der DDR, dem Parteiapparat, und der Staatssicherheit betrachtet werden. Welche Rolle spielten Wirtschaftswissenschaftler in der Stasi sowohl als Mitarbeiter wie als kontrollierte Personen? Inwieweit wurde wissenschaftliche Autonomie eingefordert, inwieweit wurde in diese eingegriffen, und von welchen Faktoren hing die Anerkennung oder Aberkennung dieser Autonomie ab? Ökonomen sind für Fragen des Verhältnisses von Wissenschaft und politisches Regime besonders interessant, da sie einerseits die staatstragende Ideologie des Marxismus-Leninismus repräsentierten, aber sich andererseits auch als „Produktivkraft“ beweisen mussten. Diese doppelte Funktion der Wirtschaftswissenschaften zwischen „ideologischer“ und „produktiver“ Arbeit macht die Interaktion zwischen Staatsicherheit und Ökonomen besonders interessant.
Professor Düppe forscht während seines Aufenthalts am ZZF in Abteilung II "Geschichte des Wirtschaftens".