
Rebecca Wittmann
University of Toronto, Mississauga
Kanada
E-Mail: wittmann [at] chass.utoronto.ca
Projekt
Guilt and Shame in Postwar Germany
In dem Buch Guilt and Shame in Postwar Germany entwickle ich eine Langzeitperspektive auf die deutsche Nachkriegsgeschichte und eine sehr persönliche Perspektive auf die Auseinandersetzung der Deutschen mit ihrer problematischen NS-Vergangenheit. Der Übergang von der Diktatur zur Demokratie brachte schmerzhafte seismische Verschiebungen mit sich: Neben gelungenen gab es auch reichlich gescheiterte Versuche, das nationalsozialistischen Erbe zu überwinden.
Die Arbeit an diesem Buch ist inspiriert von dem, was Hans Ulrich Gumbrecht sehr eloquent als die – realen oder imaginierten – „Geister“ der im Holocaust ermordeten Juden bezeichnet hat. Als Angehöriger der deutschen Nachkriegsgeneration beschrieb er das Leben mit diesen Geistern: Als linker Intellektueller fühlte er sich erdrückt von der „freischwebenden Schuld“, die für seine Generation – und die meines Vaters – überall präsent war, weil ihre eigenen Eltern schwiegen und keine Verantwortung für das übernahmen, was sie in der NS-Zeit getan hatten.
Gumbrecht wandte sich angewidert ab, zeigte mit dem Finger auf die Schuldigen und entwickelten eine „moralische Rigidität“, die mir selbst vertraut ist. Mein Vater, wie Gumbrecht und viele andere konnten mit der persönlichen ebenso wie mit der politischen Verantwortungslosigkeit der Eltern nicht umgehen, und genau darum geht es in meinem Buch: Wie verarbeiten nachfolgende Generationen eine Vergangenheit, der sich diejenigen, die die Verbrechen begangen haben, selbst nicht stellen? Gegenstand des Buchs ist die stetig sich wandelnde Beziehung der Deutschen zu ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit; untersucht wird sie mit Blick auf vier Momente der Nachkriegsgeschichte, in denen sich das Verdrängte noch einmal Bahn brach.