Clemens Villinger schließt seine Promotion zu »Konsum, Alltag und soziale Ungleichheit in der langen Geschichte der ›Wende‹« an der Universität Erfurt ab

12.10.2021

Clemens Villinger hat am 30. September 2021 seine Dissertation mit dem Titel „Vom ungerechten Plan zum gerechten Markt? Konsum, Alltag und soziale Ungleichheit in der langen Geschichte der ‚Wende‘“ am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt mit dem Gesamtprädikat summa cum laude abgeschlossen. Betreut wurde die Arbeit von Prof. Dr. Kerstin Brückweh (Berliner Hochschule für Technik / ZZF Potsdam), Zweitgutachterin war Prof. Dr. Christiane Kuller (Universität Erfurt).

In seiner Studie untersucht Clemens Villinger die lebensweltliche Bedeutung von Konsum für die Vorgeschichte der Revolution von 1989/90 in der DDR sowie für den Umgang mit dem Systemwechsel und den Folgen der Transformation. Um das wechselseitige Verhältnis von strukturellem Wandel und alltäglichen Konsumpraktiken zu analysieren, wird in der Arbeit eine akteurszentrierte und auf die Lebenswelten ausgerichtete Untersuchungsperspektive angelegt.

In der Arbeit wird die zeit-, system- und raumübergreifende Bedeutung des Leistungsprinzips und von Verteilungsfragen für die Bewertung von sozialer Ungleichheit herausgearbeitet. In den 1980er-Jahren standen weniger die sozialistische Sozialhierarchie oder die ungleiche Verteilung von Ressourcen in der Kritik, als die inkonsequente, intransparente und des­wegen als ungerecht empfundene Regulierung von sozialer Ungleichheit durch die machthabende SED. Aufgrund ihrer im Laufe der 1980er-Jahre auf den Konsumfeldern gesammelten Er­fahrungen erwarteten Teile der Bevölkerung aus den Untersuchungsorten während des Umbruchs von 1989/90 und zu Beginn der 1990er-Jahre, dass die im sozialistischen Konsum nicht mehr erfüllten Gerechtigkeitsvorstellungen mit der Marktwirtschaft verwirklicht werden könnten und ein Systemwechsel eine ge­rechtere Wirtschaftsordnung etablieren würde.

Zwei Fragebereiche stehen im Mittelpunkt der Arbeit: Erstens wird gefragt, welche Erfahrungen, Wissensbestände und Erwartungen die alltäglichen Konsumpraktiken prägten. Wie und warum veränderte sich das Konsumverhalten vor, während und nach 1989/90? Fragen nach der ökonomischen, sozialen und moralischen Einbettung des Konsums werden mithilfe eines praxeologischen Ansatzes untersucht. Der zweite Fragebereich widmet sich sowohl der strukturellen Dimension von sozialer Ungleichheit als auch deren Wahrnehmung. Wie entstand soziale Ungleichheit auf den beiden Konsumfeldern und wie veränderte sie sich im Zuge des Systemwechsels von 1989/90? Welche Gerechtigkeitsvorstellungen prägten die Wahrnehmung von sozialer Ungleichheit auf den Konsumfeldern der Ernährung und des Wohnens?
Als Beispiele dienen die Konsum­felder Ernährung und Wohnen, während als räumliche Fallstudien das thüringische Dorf Merxleben, die sächsische Kleinstadt Wurzen und die Großstadt Leipzig herangezogen werden. Neben Archivakten, Überlieferungen der Staatssicherheit der DDR und Medienbeiträgen stellen zu Beginn der 1990er-Jahre erhobene qualitative sozialwissenschaftliche Interviews die zentrale Quellengrundlage dar. Die Inter­views wurden im Rahmen der Arbeit neu erschlossen, aufbereitet und zweitausgewertet.

Clemens Villinger forschte zwischen 2016 und 2020 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand in dem am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung in der Abt. I „Kommunismus und Gesellschaft“ angesiedelten und von Kerstin Brückweh geleiteten Projekt „Die lange Geschichte der „Wende“. Lebenswelt und Systemwechsel vor, während und nach 1989/90“.

News

Clemens Villinger schließt seine Promotion zu »Konsum, Alltag und soziale Ungleichheit in der langen Geschichte der ›Wende‹« an der Universität Erfurt ab

12.10.2021

Clemens Villinger hat am 30. September 2021 seine Dissertation mit dem Titel „Vom ungerechten Plan zum gerechten Markt? Konsum, Alltag und soziale Ungleichheit in der langen Geschichte der ‚Wende‘“ am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt mit dem Gesamtprädikat summa cum laude abgeschlossen. Betreut wurde die Arbeit von Prof. Dr. Kerstin Brückweh (Berliner Hochschule für Technik / ZZF Potsdam), Zweitgutachterin war Prof. Dr. Christiane Kuller (Universität Erfurt).

In seiner Studie untersucht Clemens Villinger die lebensweltliche Bedeutung von Konsum für die Vorgeschichte der Revolution von 1989/90 in der DDR sowie für den Umgang mit dem Systemwechsel und den Folgen der Transformation. Um das wechselseitige Verhältnis von strukturellem Wandel und alltäglichen Konsumpraktiken zu analysieren, wird in der Arbeit eine akteurszentrierte und auf die Lebenswelten ausgerichtete Untersuchungsperspektive angelegt.

In der Arbeit wird die zeit-, system- und raumübergreifende Bedeutung des Leistungsprinzips und von Verteilungsfragen für die Bewertung von sozialer Ungleichheit herausgearbeitet. In den 1980er-Jahren standen weniger die sozialistische Sozialhierarchie oder die ungleiche Verteilung von Ressourcen in der Kritik, als die inkonsequente, intransparente und des­wegen als ungerecht empfundene Regulierung von sozialer Ungleichheit durch die machthabende SED. Aufgrund ihrer im Laufe der 1980er-Jahre auf den Konsumfeldern gesammelten Er­fahrungen erwarteten Teile der Bevölkerung aus den Untersuchungsorten während des Umbruchs von 1989/90 und zu Beginn der 1990er-Jahre, dass die im sozialistischen Konsum nicht mehr erfüllten Gerechtigkeitsvorstellungen mit der Marktwirtschaft verwirklicht werden könnten und ein Systemwechsel eine ge­rechtere Wirtschaftsordnung etablieren würde.

Zwei Fragebereiche stehen im Mittelpunkt der Arbeit: Erstens wird gefragt, welche Erfahrungen, Wissensbestände und Erwartungen die alltäglichen Konsumpraktiken prägten. Wie und warum veränderte sich das Konsumverhalten vor, während und nach 1989/90? Fragen nach der ökonomischen, sozialen und moralischen Einbettung des Konsums werden mithilfe eines praxeologischen Ansatzes untersucht. Der zweite Fragebereich widmet sich sowohl der strukturellen Dimension von sozialer Ungleichheit als auch deren Wahrnehmung. Wie entstand soziale Ungleichheit auf den beiden Konsumfeldern und wie veränderte sie sich im Zuge des Systemwechsels von 1989/90? Welche Gerechtigkeitsvorstellungen prägten die Wahrnehmung von sozialer Ungleichheit auf den Konsumfeldern der Ernährung und des Wohnens?
Als Beispiele dienen die Konsum­felder Ernährung und Wohnen, während als räumliche Fallstudien das thüringische Dorf Merxleben, die sächsische Kleinstadt Wurzen und die Großstadt Leipzig herangezogen werden. Neben Archivakten, Überlieferungen der Staatssicherheit der DDR und Medienbeiträgen stellen zu Beginn der 1990er-Jahre erhobene qualitative sozialwissenschaftliche Interviews die zentrale Quellengrundlage dar. Die Inter­views wurden im Rahmen der Arbeit neu erschlossen, aufbereitet und zweitausgewertet.

Clemens Villinger forschte zwischen 2016 und 2020 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand in dem am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung in der Abt. I „Kommunismus und Gesellschaft“ angesiedelten und von Kerstin Brückweh geleiteten Projekt „Die lange Geschichte der „Wende“. Lebenswelt und Systemwechsel vor, während und nach 1989/90“.

News