Wie umgehen mit der Gefahr von rechts? Nationalismuspolitik im besetzten und geteilten Deutschland
Habilitationsprojekt
Als Bundesinnenminister Horst Seehofer das Bundesamt für Verfassungsschutz im Juli 2020 erklären ließ, dass die „größte Bedrohung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ aus Sicht der Behörde nunmehr „vom Rechtsextremismus“ ausgehe, war dies eine innenpolitische Zäsur. Seit dem Ende der alliierten Besatzung hatte keiner von Seehofers Amtsvorgängern derart deutlich vor der Gefahr von rechts gewarnt. Einzig Gustav Heinemann, der erste Bundesinnenminister, hatte intern stets klargemacht, dass er die rechte Gefahr für ungleich akuter hielt als die linke. Öffentlich ausgesprochen hat er dies jedoch nie. Mit umso größerem Nachdruck wurde die Existenz einer vom „Neonazismus“ und „BRD-Imperialismus“ ausgehenden Gefahr in der DDR behauptet. In der Bundesrepublik dagegen wurde die Bedrohung durch „Linksradikalismus“ und „Linksextremismus“ jahrzehntelang viel größer gezeichnet als die durch die Rechte. Selbst nach den Pogromen von 1991/92 lösten zunächst nicht der Rechtsextremismus, sondern die organisierte Kriminalität und der islamistische Terrorismus die Linke an der Spitze der Bedrohungshierarchie ab – bis zur Zäsur von 2020.
Dieses Forschungsprojekt untersucht, wie und aus welchen Gründen sich der politische Umgang mit der rechten Gefahr in den Besatzungszonen, der alten Bundesrepublik und der DDR wandelte bevor sich nach der Wiedervereinigung die „streitbare Demokratie“ der Gegenwart herausbildete. Weshalb wurde die Gefährlichkeit der deutschen Rechten, die in der Besatzungszeit noch auf der Hand zu liegen schien, schon bald nach der doppelten Staatsgründung fast nur noch auf der Linken, in Ostdeutschland und im Ausland an die Wand gemalt, von den Innenbehörden in der Bundesrepublik dagegen als gering veranschlagt? Warum blieb es bei dieser Einschätzung, obwohl ehemalige Nazis gesellschaftliche Schlüsselpositionen besetzten, rechte Parteien immer wieder Wahlerfolge feierten, nationalistische Medienerzeugnisse in großer Zahl abgesetzt wurden und rechter Terrorismus vermehrt Todesopfer forderte? Um diese Fragen zu beantworten, nutzte ich einen nationalismusgeschichtlichen Ansatz. Ich historisiere den politischen Umgang mit „Neonazismus“, „Rechtsradikalismus“, „Rechtsextremismus“, „Rechtspopulismus“ und „Neofaschismus“ als Nationalismuspolitik, denn historisch betrachtet handelt es sich hierbei um Ausprägungen des politischen Nationalismus. Als Sonde in den Gegenstand dient das Leitungspersonal der zentralen Innenministerien.
Dr. Dominik Rigoll
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