NEU: Die Ausgabe 2/2019 der »Zeithistorischen Forschungen« widmet sich der Zeitgeschichte des Rechts
Die Epoche der Zeitgeschichte ist zugleich eine Epoche des Rechts und der Verrechtlichung. Ohne Aufmerksamkeit für juristische Zusammenhänge können moderne Gesellschaften nicht verstanden werden. In ihnen bildet das Recht eine allgegenwärtige Struktur, deren basales Versprechen von Formalität, Unabhängigkeit und Invarianz selbst dort gilt, wo normative Konzepte von Rechtsstaatlichkeit, unabhängiger Justiz und Menschenrechten einen schweren Stand haben. Gleichwohl hat sich die zeithistorische Forschung bislang nur wenig für dieses juristische Fundament der Gegenwart interessiert, sondern sich meist auf jene Konfliktzonen beschränkt, in denen ein politischer Streit um Rechtsnormen, ihre Genese und Auslegung geführt wird. Doch während die Missachtung bereits vorausgesetzter rechtsstaatlicher Konventionen besondere Aufmerksamkeit findet, treten die Normalität des Rechts, seine Wandlungsfähigkeit, seine Beharrungskraft wie sein Obstruktionspotential in den Hintergrund.
Das neue Themenheft begibt sich auf die Suche nach solchen ubiquitären Praktiken und Kontexten des Rechts. In vier Fallstudien werden Eigenlogik und Geschichtsmächtigkeit des Rechtlichen im 20. Jahrhundert erkundet. Zugleich zielt das Heft auf eine interdisziplinäre Verständigung über Traditionslinien und methodische Instrumente, über wissenschaftliche Klassiker und mögliche Ansätze einer von Jurist*innen und Historiker*innen gleichermaßen und gelegentlich sogar gemeinsam betriebenen Rechtsgeschichte.
Herausgeber*innen dieses Hefts:
Julia Eichenberg, Benjamin Lahusen, Marcus M. Payk und Kim Christian Priemel
Pressemitteilung des ZZF:
Themenheft (2/2019)
Inhalte des neuen Themenhefts "Zeitgeschichte des Rechts"
Julia Eichenberg/Benjamin Lahusen/Marcus M. Payk/Kim Christian Priemel:
Eine Maschine, die träumt. Das Recht in der Zeitgeschichte und die Zeitgeschichte des Rechts
Aufsätze
- Timo Walz: Kampf um die rechte Ordnung. Sozialistische Strafverteidiger zwischen spätem Kaiserreich und „zweiter Revolution“ 1919
- Benjamin Lahusen: Die Selbstermächtigung des Rechts: Breslau 1933. Zum „Stillstand der Rechtspflege“ in der Juristischen Zeitgeschichte
- Sören Eden: Fraenkels „Doppelstaat“ als Rechtsgeschichte. Arbeitsrecht und Politik während der NS-Diktatur
- Paulina Gulińska-Jurgiel: Gemeinsame oder getrennte Wege? Kontakte zwischen Polen und Westdeutschland zur justiziellen Aufarbeitung von NS-Verbrechen bis zum Beginn der 1970er-Jahre
Debatte
Wie Sisyphos mit zwei Steinen. Zur Lage der Juristischen Zeitgeschichte zwischen Rechts- und Geschichtswissenschaft
Positionen und Perspektiven von Justin Collings, Lena Foljanty, Martin Löhnig und Annette Weinke
Quellen
- Marcus M. Payk: Die Urschrift. Zur Originalurkunde des Versailler Vertrages von 1919
- Kathrin Kollmeier: Das Nansen-Zertifikat. Ein ambivalentes Schlüsseldokument des ersten internationalen Flüchtlingsregimes
- Julia Eichenberg: London Calling. Adressbücher des britischen Exils im Zweiten Weltkrieg
- Kim Christian Priemel: Stimmen im Kopf. Mithören und Mitmachen in den Nürnberger Prozessen (1945–1949)
Neu gelesen/gesehen