(K)eine sozialistische Eugenik? Sterilisationspolitik und -praxis in der SBZ und DDR 1945-1990 im Spannungsfeld von NS-Vergangenheit, Planungsdenken und Biopolitik

Beginn des Projektes: September 2019

Assoziiertes Dissertationsprojekt

In der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) wurde das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (GzVeN) als nationalsozialistisches Unrecht deklariert und aufgehoben. Vereinzelt wurden daraufhin an NS-Zwangssterilisationen Beteiligte strafrechtlich verfolgt. Nichtsdestoweniger existierten negativ-eugenische Diskurse in der SBZ und auch in der DDR fort, auch wenn die relevanten Akteure davor zurückschreckten, ein eugenisches Sterilisationsgesetz zu verabschieden. Das einzige Sterilisationsgesetz der DDR von 1969 legalisierte explizit nur medizinisch indizierte Sterilisationen bei Frauen*. Jenseits der offiziellen Haltung kam es dennoch zu eugenisch begründeten Sterilisationsanträgen, die meist abgelehnt, vereinzelt aber auch genehmigt und ausgeführt wurden.

Hinsichtlich des Strafverfolgungskomplexes gehe ich den Fragen nach, warum es in der SBZ trotz der Aufhebung des GzVeN als NS-Unrecht nicht zu einer flächendeckenden Strafverfolgung gekommen ist. Auch untersuche ich in diesem Zusammenhang, warum die wenigen Ermittlungs- und Strafverfahren meist ergebnislos blieben. Dabei ist von besonderem Interesse, wie über die Strafbarkeit und Straflosigkeit der Teilnahme an NS-Zwangssterilisationen argumentiert wurde und welche rechtstheoretischen und biopolitischen Konzeptionen dabei zur Anwendung kamen. Auf diese Weise werden die Einstellungen der Beteiligten zu Sterilisationen und negativer Eugenik erschlossen. Der zweite große inhaltliche Teil analysiert die Debatten über die gesetzliche Regelung von Sterilisationen in der SBZ und DDR, indem gefragt wird, welche biografischen Prägungen zur Zustimmung oder Ablehnung eugenischer Maßnahmen führten. Im dritten Teilkomplex der Arbeit untersuche ich die Sterilisationspraxis in der SBZ und DDR. Bezüglich der Sterilisationsanträge vor dem Gesetz von 1969 gehe ich der Frage nach, wie viele davon offen bzw. verdeckt eugenisch motiviert gewesen sind und inwieweit es sich hierbei um eine Fortexistenz der NS-Rassenhygiene oder die Reaktivierung Weimarer Eugenik handelt. Dabei komme ich zu dem Ergebnis, dass eugenische Sterilisationen in der SBZ/DDR im Wesentlichen klassistisch motiviert gewesen sind. Auch die nach 1969 fortan legale Sterilisationspraxis bei Frauen* untersuche ich im Hinblick auf negativ-eugenische Versatzstücke in den genehmigten und abgelehnten Anträgen.

Stefan Jehne

Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Am Neuen Markt 1
14467 Potsdam

Tel.: 0331/74510-126
Fax: 0331/74510-143

E-Mail: jehne [at] zzf-potsdam.de

Forschung

(K)eine sozialistische Eugenik? Sterilisationspolitik und -praxis in der SBZ und DDR 1945-1990 im Spannungsfeld von NS-Vergangenheit, Planungsdenken und Biopolitik

Beginn des Projektes: September 2019

Assoziiertes Dissertationsprojekt

In der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) wurde das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (GzVeN) als nationalsozialistisches Unrecht deklariert und aufgehoben. Vereinzelt wurden daraufhin an NS-Zwangssterilisationen Beteiligte strafrechtlich verfolgt. Nichtsdestoweniger existierten negativ-eugenische Diskurse in der SBZ und auch in der DDR fort, auch wenn die relevanten Akteure davor zurückschreckten, ein eugenisches Sterilisationsgesetz zu verabschieden. Das einzige Sterilisationsgesetz der DDR von 1969 legalisierte explizit nur medizinisch indizierte Sterilisationen bei Frauen*. Jenseits der offiziellen Haltung kam es dennoch zu eugenisch begründeten Sterilisationsanträgen, die meist abgelehnt, vereinzelt aber auch genehmigt und ausgeführt wurden.

Hinsichtlich des Strafverfolgungskomplexes gehe ich den Fragen nach, warum es in der SBZ trotz der Aufhebung des GzVeN als NS-Unrecht nicht zu einer flächendeckenden Strafverfolgung gekommen ist. Auch untersuche ich in diesem Zusammenhang, warum die wenigen Ermittlungs- und Strafverfahren meist ergebnislos blieben. Dabei ist von besonderem Interesse, wie über die Strafbarkeit und Straflosigkeit der Teilnahme an NS-Zwangssterilisationen argumentiert wurde und welche rechtstheoretischen und biopolitischen Konzeptionen dabei zur Anwendung kamen. Auf diese Weise werden die Einstellungen der Beteiligten zu Sterilisationen und negativer Eugenik erschlossen. Der zweite große inhaltliche Teil analysiert die Debatten über die gesetzliche Regelung von Sterilisationen in der SBZ und DDR, indem gefragt wird, welche biografischen Prägungen zur Zustimmung oder Ablehnung eugenischer Maßnahmen führten. Im dritten Teilkomplex der Arbeit untersuche ich die Sterilisationspraxis in der SBZ und DDR. Bezüglich der Sterilisationsanträge vor dem Gesetz von 1969 gehe ich der Frage nach, wie viele davon offen bzw. verdeckt eugenisch motiviert gewesen sind und inwieweit es sich hierbei um eine Fortexistenz der NS-Rassenhygiene oder die Reaktivierung Weimarer Eugenik handelt. Dabei komme ich zu dem Ergebnis, dass eugenische Sterilisationen in der SBZ/DDR im Wesentlichen klassistisch motiviert gewesen sind. Auch die nach 1969 fortan legale Sterilisationspraxis bei Frauen* untersuche ich im Hinblick auf negativ-eugenische Versatzstücke in den genehmigten und abgelehnten Anträgen.

Stefan Jehne

Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Am Neuen Markt 1
14467 Potsdam

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Fax: 0331/74510-143

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